2022, Culture Clash, Erlebnis

5 Tage draußen: Fremdheit in der Natur

Max Mu2022, Culture Clash, Erlebnis Leave a Comment

5 Tage draußen: Fremdheit in der Natur

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von Max Mu
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31. Januar 2022
War es ein Abenteuer?
Oder eine Odysee?
Oder vielleicht beides?
Zu diesem Zeitpunkt war es mir egal, denn ich hatte es zurück geschafft. Völlig erschöpft erreichte ich als Erster den Parkplatz. Keuchend und schnaufend schnallte ich meine Ski ab und legte mich auf meinen Schlitten, um auf die anderen zu warten.
In weniger als zwei Stunden hätte ich unter der warmen Dusche noch mehr als genügend Zeit, darüber nachzudenken, was wir in der letzten Woche erlebt hatten.
Hier hatte alles begonnen. Hier, auf dem Parkplatz starteten wir vor genau 5 Tagen unsere Skiwanderung zum Damm. Wir, das sind Tom, Anna und Ich. Und unsere Schlitten. Allerdings wusste ich noch nicht, auf was ich mich eingelassen hatte und welche fremden Welten zwischen Bergen und Schnee, vor allem aber in meinem Kopf auf mich warteten.
Es begann recht harmlos, als wir in den sonnigen Morgenstunden aufbrachen …
Tag 1
Das Eis und ich
Am frühen Nachmittag hatten wir die ersten Höhenmeter überwunden. Auch das Wetter hatte sich verändert. Für den Rest dieses Tages sollte Eis mein steter Begleiter werden.
Ich konnte hören, wie der Wind über das Eis fegte und alles fühlte sich auf einmal surrueal an. Hier sollten wir heute Nacht also schlafen? In dieser lebensfindlichen Umgebung? Und das nur mit einem Zelt? Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, aber das Geräusch erinnerte mich unaufhörlich daran.
Kurze Zeit später: Anna und Tom haben es geschafft, das Zelt trotz des Windes aufzubauen. Auch wenn ich das Geräusch immer noch hören kann fühlt es sich irgendwie gut an, im Zelt zu sitzen. Wer hätte gedacht, dass auch unter diesen Bedingungen eine (temporäre) Heimat nur wenige Handgriffe entfernt in unseren Schlitten war? Jedenfalls gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen drinnen und draußen, obwohl wir mit unserem Zelt ja ebenfalls „draußen“ sind.

Tag 2
Zelt oder Hütte

Auch wenn das Wetter am nächsten Tag wieder besser ist, beschließen wir, eine Schutzhütte für die nächste Nacht zu suchen. Nachdem wir eine Hütte gefunden haben, stellen wir fest, das wir nicht allein sind: Auch zahlreiche Tiere suchen im Umfeld der Hütte Schutz. Auch diese Nacht wird nicht ohne Geräusche verlaufen. Wir haben uns dennoch für die Hütte entschieden.
Gewöhnungsbedürftig aber warm.

Tag 3
WHITE OUT: FREMDHEIT MAL ANDERS

Den ganzen Tag wütet ein Schneesturm – teilweise sehe ich nichtmal meine Mitstreiter. Es fühlt sich trostlos an in die weiße Leere zu starren. Der Sturm scheint uns regelrecht einfangen zu wollen. Gegen die gewaltigen Windböen können wir nicht weiterfahren.
Wir beschließen, an einem kleinen Felsen auszuruhen, bis der Sturm sich legt. In der Stadt hat mich das Wetter nie in dieser Form eingeschränkt, nun aber bin ich machtlos.

Tag 4
Ziel erreicht

Wir erreichen unser Ziel – den Dammen.
Dafür, dass wir tagelang durch die Wildnis gefahren sind ist der Moment erstaunlich schlicht, hat aber etwas stilles, friedvolles, das mir in der Stadt nie untergekommen ist. Fast wie in Kanada.
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Tag 5
Leben und leben lassen

Für den letzten Tag hatten wir uns fest vorgenommen Eisangeln zu gehen. Das wollte ich unbedingt ausprobieren.
Plötzlich halte ich einen Fisch in der Hand – nass und kalt, aber lebendig. Sicher habe ich mehrere Kilogramm Fisch in meinem Leben gegessen, doch nie fühlte ich mich näher und gleichzeitig ferner von diesem Lebewesen, als in jenem Moment.
Durch die Unmittelbarkeit der Natur, in der sich Jäger und Beute zwangläufig begegnen, erwachte ich aus meinem Schlaf der Entfremdung, der Abstrahierung von Tier und Nahrung: Dieses Lebewesen MUSS durch meine Hände sterben, wenn ich Fisch essen will. Meine anfänglichen Gewissenkonflikte wurden sogleich durch fehlendes handwerkliches Geschick ad absurdum geführt: War ich dazu überhaupt in der Lage?
Dann ist die Tour auch schon kurz vor dem Ende. Nach aufregenden 5 Tagen sind wir nun also wieder auf dem Parkplatz angekommen.
Doch sind wir noch die Menschen, die hier vor einigen Tagen aufbrachen? Was hat die Fremdheitserfahrung mit uns gemacht? Wer sind wir?
Abenteuer?
Irrfahrt?
Vielleicht beides...

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