ANDERS
Als ich aufgrund meines Studiums mein Auslandssemester in Mexiko an der TEC, meiner Partneruniversität, verbringen durfte, gab es Tage, an denen ich mich fragte, warum ich mich manchmal so „anders“ fühlte. Anders im Sinne von fremd, manchmal unwohl – einfach nicht richtig angekommen fühlte. Die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Mexiko spielten dabei eine große Rolle, ebenso das Gefühl, nicht zuhause zu sein. Diese Unterschiede waren spürbar: mal faszinierend und bereichernd, mal herausfordernd und schwer zu greifen. Ein großes Thema für mich war die ständige Reduzierung auf mein Äußeres. Meine hellblonden Haare zogen oft neugierige Blicke auf sich, und ich wurde anders behandelt. Einmal fasste eine Frau sogar einfach meine Haare an, ohne zu fragen. Diese Erfahrungen waren für mich befremdlich und unangenehm.
Eine der ersten Situationen, die mir in Erinnerung geblieben ist, erlebte ich auf dem Mercado, einem Wochenmarkt, an dem sich sowohl Einheimische als auch Internationals trafen. Dort lernte ich zwei Jungs kennen. Mit einem verstand ich mich besonders gut. Er zeigte mir und einigen anderen Internationals die Stadt Monterrey, in der ich lebte, und so verbrachten wir viel Zeit gemeinsam. Ich war dankbar, jemanden gefunden zu haben, der mir die Stadt und die Kultur näherbrachte. Doch mit der Zeit gewann ich den Eindruck, dass die Freundschaft immer einseitiger wurde. Es wirkte, als sei ich mehr ein Statussymbol als eine echte Freundin, und meine Worte sowie meine persönlich gesetzten Grenzen wurden einfach ignoriert. Wegen der Sprachbarriere hatte ich manchmal das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden oder mich unfreiwillig in unangenehme Situationen zu bringen. Einige andere Internationals erzählten mir, dass jemand damit angab, mich zu kennen. Das war für mich schwer nachzuvollziehen und völlig ungewohnt, da ich so eine Situation vorher noch nie erlebt hatte. Trotz klarer Gespräche und gesetzter Grenzen fühlte ich mich bedrängt, und meine Worte wurden ignoriert – ein Muster, das sich später noch wiederholte. Diese erste Erfahrung ließ mich denken: „Was passiert hier eigentlich gerade, und warum bin ich darin verwickelt?“
Ein weiteres prägendes Erlebnis hatte ich am Strand in Cancún, im Südosten Mexikos. Zwei Männer beobachteten mich immer wieder, bis sie schließlich auf mich zukamen und höflich um ein Foto baten. Zuerst dachte ich, sie wollten ein Bild von sich, doch schnell wurde klar: Ich war das Motiv – wegen meiner blonden Haare.
Ein drittes, unangenehmes Erlebnis ereignete sich an der Universität. Nach einem langen Abend in der Bibliothek war ich auf dem Heimweg, als mich auf dem Campus ein junger Mann ansprach, fasziniert von meiner Haarfarbe. Anfangs blieb ich höflich, doch das Gespräch entwickelte sich in eine Richtung, die ich nicht wollte. Als er mich schließlich zu sich nach Hause einlud und mein klares „Nein“ ignorierte, fühlte ich mich wieder auf mein Äußeres reduziert und zunehmend unwohl. Ich schrieb meiner Kommilitonin, welche mit mir zusammen in Mexiko war, und sie rief mich sofort an, um mich aus der Situation zu retten. Ich telefonierte so lange mit ihr, bis ich sicher in meiner Unterkunft ankam.
Jetzt, da ich das Ganze noch einmal Revue passieren lasse, wird mir klar, dass viele dieser Missverständnisse durch kulturelle Unterschiede entstanden. Mein Äußeres schien oft eine Rolle zu spielen, über die ich mir vorher nie Gedanken gemacht hatte. Sätze wie „‚Die sieht anders aus‘“ ließen mich spüren, dass meine blonde Haarfarbe nicht nur Aufmerksamkeit erregte, sondern auch dazu führte, dass mein Verhalten anders wahrgenommen wurde. Gleichzeitig glaubte mein Gegenüber, sein Verhalten sei für mich ebenso normal. Diese Erlebnisse haben mir die Augen geöffnet, und ich habe festgestellt, dass ich mich durch mein Aussehen von den anderen Mexikanerinnen abhob. Denn wenn es in Mexiko Frauen mit blonden Haaren gibt, sind diese in der Regel nicht natürlich, sondern gefärbt.
Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, wie entscheidend es ist, in neuen kulturellen Umfeldern klare persönliche Grenzen zu setzen, Missverständnisse direkt anzusprechen und den Dialog über unterschiedliche Werte und Erwartungen aktiv zu suchen.
Wenn ihr euch für ein Auslandssemester in Mexiko entscheidet, lautet mein Rat: Seid offen für die Kultur und bereit, die Unterschiede anzunehmen. Sollten Missverständnisse auftreten, sprecht diese direkt an, um Missverständnisse und unangenehme Situationen zu vermeiden. Die Menschen in Mexiko legen oft großen Wert auf persönliche Beziehungen, daher ist ein ehrlicher und respektvoller Umgang besonders wichtig.