Zwischen Wüste und Wandel
Mein zweites Leben in Mexiko
Vom 1. Februar bis zum 27. Juli verbrachte ich fünf Monate in Monterrey, Mexiko – eine Zeit, die sich wie ein eigenständiges Leben anfühlte. Ein zweites Leben, losgelöst von meinem bisherigen Alltag.
Die Menschen, die Stadt, und die Erlebnisse, die mich dort prägten, waren flüchtig und doch von unschätzbarem Wert. Sie verschwanden nach meiner Abreise genauso plötzlich aus meinem Leben, wie sie hineintraten.
Diese Vergänglichkeit hatte etwas Befreiendes. Ohne die üblichen sozialen Kreise, die meine Identität zu Hause definierten, war ich gezwungen, mich auf mich selbst zu besinnen. Das war nicht immer einfach – aber genau darin lag der größte Gewinn.
Mein Semester in Mexiko:
Eine Reise zu mir selbst
Ich besuchte Kurse an der Universität und lernte den mexikanischen Ansatz der Lehre kennen: geprägt von Gruppenarbeiten und Präsentationen, weit entfernt von der Theorie-lastigkeit, die ich aus Deutschland kannte. Meine extrovertierte Art half mir, schnell Anschluss zu finden.
Überraschenderweise kam mein Humor nicht nur bei meinen Kommilitonen gut an, sondern auch bei den Professoren. Neben dem Studium entstanden Freundschaften, die den Unterricht weit überdauerten. Gemeinsame Ausflüge in die Wüste, mexikanisches BBQ bei einer einheimischen Familie und eine Tequila- und Mescal-Verkostung ließen mich die Kultur aus erster Hand erleben.Doch die eigentliche Herausforderung lag nicht in der Uni. Sie lag darin, alleine in einem fremden Land zurechtzukommen.
Zum ersten Mal hatte ich keine Familie oder Freunde, die mir den Alltag strukturierten. Anfangs fühlte sich diese Freiheit grenzenlos an. Doch bald merkte ich, wie schwer es sein kann, ein aktives Sozialleben aufzubauen, wenn man niemanden kennt und sich die eigene Wohnung schnell wie eine bequeme Zuflucht anfühlt. Es kostete mich Überwindung, hinauszugehen und die Stadt zu erkunden – aber genau das war der Schlüssel.
In Monterrey lernte ich Menschen aus der ganzen Welt kennen, und jede Begegnung eröffnete mir neue Perspektiven: Wie unterschiedlich wir sind und wie ähnlich zugleich.
Die totale Sonnenfinsternis
Ein Highlight meiner Zeit in Mexiko war die totale Sonnenfinsternis. Gemeinsam mit Freunden aus verschiedenen Ländern stand ich unter dem weiten Himmel und beobachtete, wie die Sonne langsam vom Mond verschluckt wurde, begleitet von „The Dark Side of the Moon“ von Pink Floyd.
Für einen Moment war die Stadt still – und wir alle fühlten uns verbunden, unabhängig von unseren kulturellen Unterschieden. Diese Erfahrung war eine Metapher für diese Zeit: Alles drehte sich anders, und die Möglichkeiten schienen unendlich.
Bleibende Spuren
Die größte Spur, die diese Erfahrung bei mir hinterlassen hat, ist mehr Bodenständigkeit. In Mexiko musste ich lernen, Dinge selbst in Angriff zu nehmen und Verantwortung zu übernehmen.
Meine Teilnahmebereitschaft – sei es, neue Leute kennenzulernen oder Herausforderungen anzugehen – wuchs enorm. Dabei lernte ich auch, mein bisheriges Leben mit seinen Fehlern und Erfolgen als Teil von mir zu akzeptieren. Statt mich für die Vergangenheit zu schämen, begann ich, Stolz auf die Gegenwart und Zukunft zu empfinden.
Nach meiner Rückkehr hatte ich tiefgehende Gespräche mit Menschen in meinem Leben, die lange überfällig waren.
Ein weiterer bleibender Eindruck war die Erkenntnis, wie unterschiedlich Menschen selbst innerhalb eines Landes sein können. In Monterrey wurde mir bewusst, wie stark die Unterschiede zwischen verschiedenen deutschen Kulturkreisen sein können. Zum ersten Mal fühlte ich mich verbunden mit meiner eigenen Geschichte und Herkunft – und respektierte mich selbst dafür.
Eine Reise, die bleibt
Für alle, die ein Auslandssemester in Mexiko planen, habe ich eine klare Empfehlung: Organisiert euch ein gutes Stipendium und nutzt die Zeit, um zu reisen. Mexiko ist riesig, vielfältig und bietet unzählige Möglichkeiten, Neues zu entdecken.
Ich habe in meinen fünf Monaten unglaublich viel erlebt – von faszinierenden Landschaften bis hin zu beeindruckenden kulturellen Ereignissen.
Aber ich musste auch feststellen, dass es mit mehr finanziellen Ressourcen noch mehr Möglichkeiten gegeben hätte, die Zeit auszukosten.
Eine Reise, die bleibt
Diese fünf Monate in Mexiko waren mehr als ein Auslandssemester.
Sie waren eine Reise zu mir selbst. Monterrey hat mir gezeigt, dass Autonomie nicht bedeutet, isoliert zu sein, sondern in sich selbst Halt zu finden und gleichzeitig offen für die Welt zu bleiben.
Die Erfahrungen, die ich gemacht habe, die Menschen, die ich traf, und die Momente, die ich erlebte, haben Spuren hinterlassen, die mich bis heute prägen.
Und das, so glaube ich, ist es, was wirklich zählt.