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Daheim in der Fremdheit?

Luise PiotrowskiErlebnis, 2024, Begegnungen 1 Comments

Daheim in der Fremdheit?

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16. Januar 2024

Der Asakusa Schrein in Tokyo ist in warmes Licht gehüllt. So im Dunkeln erscheint er mir plötzlich viel größer und eindrucksvoller. Der Turm scheint wachend über mich zu ragen, während ich durch das Eingangstor schreite. Meine Mitreisende wollte nicht nochmal mitkommen, sitzt auf einer Bank um sich von dem langen Tag auszuruhen, der schon hinter uns liegt. Ich schaue mich um damit jemand ein Erinnerungsfoto schießen kann.

Da fällt mir etwas Vertrautes ins Auge, eine Person scheint dasselbe mit ihren Freunden vorzuhaben und leitet sie genau an wie sie posieren sollen. Ich habe meinen Fotografen gefunden! Ich tippe sie an und frage auf Englisch nach einem Foto – da unterhalten wir uns. Sie kommt auch aus Südkorea! Sofort verstehen wir uns und fühlen uns verbunden.

Aber Moment mal – wieso ist Südkorea plötzlich nicht mehr fremd für mich?

Die Reise beginnt mit der Ankunft in Seoul

Meine Honeymoon Phase beginnt

Alles in Seoul ist so anders für mich.

Mein Auslandssemester starte ich wie so viele mit dem Erkunden der Stadt. Die Menschen sprechen eine andere Sprache und sie hört sich so anders und wunderbar an. Das Essen ist neu und viel besser als das Deutsche, alles trifft absolut meinen Geschmack! Und die Kultur der wir begegnen scheint einfach atemberaubend.

Die Angst die man zu Beginn der Reise noch spürte scheint weg zu sein – ich fühle mich in Seoul angekommen. In den ersten Wochen schaue mir die vielen Sehenswürdigkeiten der Stadt an. Besonders faszinieren mich dabei die Tempel in Seoul. Sie sind ein Ort voller Besonnenheit und wirken eine wunderbare Ruhe auf mich aus.

Nach ein paar Wochen fällt mir der Aufenthalt immer schwerer

Die Krise beginnt

Die Verständigungsschwierigkeiten machen mir zu schaffen, denn sie beginnen mich zu nerven. Und das schlimmste ist: ich vermisse das deutsche Brot! Auch in der Kultur verzaubert mich nicht mehr Alles zu wie zu Beginn. Mir fallen Dinge auf, die mich irritieren.

Besonders der Zustand meines Wohnheimzimmers ist unschön: das Waschbecken ist von Beginn an kaputt und auch der Wohnraum selbst ist voller Schimmel. Da wir viel auswärts essen, fehlt uns die fehlende Herdplatte zu Beginn nicht, doch nach ein paar Wochen wächst der Wunsch zum selberkochen.

Und das alles macht mir sehr zu schaffen. Ich fühle mich immer fremder und unwohler.

Ich beginne mich fehl am Platz zu fühlen.

Doch bald fühle ich mich wieder wohl in Seoul

Die Adaption beginnt

Ich verstehe, dass man sich auch mit wenigen Vokabular in Landessprache viel besser verständigen kann und fühle mich langsam selbstbewusster im Sprechen. Beim Essen habe ich nun meine Stammlokale gefunden und weiß, was mir schmeckt. Und durch das Reisen in andere Regionen wie nach Busan wird auch der Aufenthalt wieder unglaublich interessant!

Ich beginne, mich mit der Fremdheit anzufreunden.

Ich akzeptiere diese Unterschiede und lerne sie zu verstehen, auch wenn sie mich manchmal verwundern.

Doch in einem Abstecher nach Tokyo dann trifft es mich dann erneut:

Südkorea ist nun mein nichtfremd und Japan mein Fremd

Der nächste Kulturschock kündigt sich an

Wieder erlebe ich eine fremde Sprache, probiere neues Essen und tauche in eine weitere Kultur ein.

Zusammen mit einer Freundin aus meiner Uni in Südkorea mache ich mich auf dem Weg nach Japan und verbringe eine Woche Urlaub in der Millionenstadt Tokyo. Am zweiten Tag besuchen wir dann den Asakusa Schrein. Eine Erfahrung, die ich so noch nie machen konnte. Es erstaunt mich, wie unterschiedlich beide Länder sind, auch wenn weniger als zwei Flugstunden zwischen ihnen liegt.

Doch als ich die südkoreanische Touristin am Schrein antreffe, fühle ich mich plötzlich nicht mehr fremd. Wir tauschen uns über Seoul und die Uni aus, und scheinen aufgrund desselben Wohnortes eine besondere Verbindung zu haben.

Nach einer Woche geht es wieder nach Seoul, doch die Touristin am Schrein bleibt mir in Erinnerung...

Es geht zurück nach Deutschland

und wieder ändert sich alles

Wenige Wochen nach meiner Tokyo-Reise endet mein Semester in Seoul und für mich geht es wieder nach Berlin. Je näher ich der Hauptstadt komme desto mehr Menschen sprechen Deutsch um mich herum. Doch anstatt mich zu freuen wird mir komisch – das Deutsche und die Menschen erscheinen mir mehr fremd als bekannt! Wo sind die Gesichtsmasken? Und wieso gibt es keine Kimchi-Beilage zu Gerichten wie in Seoul? Dabei dachte ich, dass ich mich wieder wie zuhause fühlen würde...

Was wir als fremd und nichtfremd empfinden ist nunmal wandelbar – ein Auslandsaufenthalt zeigt das nur zu gut.

Doch wenn wir es schaffen diesen Kulturschock positiv aufzunehmen, öffnet er uns dafür Chancen zum Perspektivwechsel und viele neue Erfahrungen.

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© Credits

Alle Fotos wurden von Luise Piotrowski aufgenommen.

Kommentare 1

  1. Ein sehr schöner Reisebericht. Mit Gefühl und Achtung schildert die Autorin die Begegnung mit anderen Kulturen. Ein Hoffnungsschimmer für unsere zerstrittene Welt.junge Menschen können noch unvoreingenommen anderen begegnen.

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