Are you sure about that?
Die Entscheidung, ein Semester im Ausland zu studieren, fiel bereits bei meiner Immatrikulation für den Studiengang GCBC in Mittweida. Was das für mich bedeuten würde, wusste ich damals nicht. Ich wollte raus, eine neue Kultur erleben und herausfinden, wie weit ich mich von meiner Komfortzone entfernen kann.
Als ich jedoch verkündete, nach Mexiko zu gehen, war die Reaktion in meinem Umfeld skeptisch.
„Mexiko? Bist du
sicher?“ – „Ja.“
Ihre Bedenken drehten sich um die Sicherheitslage, kulturelle Unterschiede und die Sprache. „Da ist es gefährlich!“, „Das Essen dort ist zu scharf für dich!“ und „Frauen haben es dort schwerer!“ waren nur einige der Kommentare, die ich zu hören bekam. Das letzte dreiviertel Jahr vor meiner Abreise war geprägt von Unsicherheiten.
Zwar hatte ich Spanisch gelernt, aber die Angst, im entscheidenden Moment alles zu vergessen, war groß – und durchaus berechtigt. Spanisch ist nicht gleich Spanisch: In Mexiko erwarteten mich Wörter und Redewendungen, deren Bedeutungen ich mir nicht mal ansatzweise zusammenreimen konnte.
Who dares not to...
Das wohl größte Wagnis war die Unterkunft. Meine Partner-Universität, die Tecnológico de Monterrey (TEC), warnte mich frühzeitig vor Betrugsmaschen. Trotzdem kam der Mietvertrag nur über zehn verschiedene Ecken zustande. Erst als ich in meinem WG-Zimmer stand, war ich mir sicher, dass es auch wirklich existierte.
Eine Kleinigkeit am Rande: Monterrey im Februar ist kälter als ich dachte. Die Temperaturen lagen tagsüber bei 15–20 Grad, nachts wurde es jedoch deutlich kälter – ohne lange Hosen wäre ich komplett aufgeschmissen gewesen.
In Mexiko-Stadt wohnte ich für eine Woche in einem Airbnb, das mir eine alleinerziehende Mutter vermietet hatte. Sie lebte dort mit ihren zwei Kindern und stellte mir ein Gästezimmer zur Verfügung. Tagsüber konnte ich ihren Alltag beobachten, der von harter Arbeit und der Organisation des Familienlebens geprägt war. Abends erzählte sie, mir von ihrer Kultur und den Herausforderungen als Frau in Mexiko – und meistens tranken wir dabei Tequila. Diese Gespräche haben mir geholfen, die mexikanische Mentalität und ihren Umgang mit alltäglichen Hürden besser zu verstehen.
In Monterrey selbst, einer Millionenmetropole, waren die Menschen distanzierter. Wenn ich Englisch sprach, wurde ich oft ignoriert. Das hat mir jedoch gezeigt, wie wichtig es ist, die Landessprache zu sprechen, um echte Verbindungen aufzubauen.
What about me?
Mein mexikanischer Mitbewohner, ein Student am TEC, nahm mich buchstäblich an die Hand. Er zeigte mir nicht nur die Stadt, sondern auch, wie ich mich mit den kulturellen Eigenheiten arrangieren konnte. In Mexiko lauern Fettnäpfchen an jeder Ecke – und ich bin in mehr als eins getreten. Sei es nun, dass ich das Küsschen auf die Wange vergessen oder sogar ein Getränk abgelehnt, ohne zu wissen, dass das als unhöflich gilt, besonders wenn es mit großer Gastfreundschaft angeboten wird. Diese kleinen Stolpersteine waren nicht immer angenehm, und oft wusste ich nicht einmal, womit ich mein Gegenüber vor den Kopf gestoßen hatte. Doch genau diese Momente haben mich viel gelehrt: über Mexiko, über seine Menschen und darüber, wie wichtig es ist, mit Humor und Offenheit auf das Unbekannte zuzugehen.
Alberto
Meine größte Herausforderung wartete noch auf mich: der Hurrikan Alberto. Die Nachrichten ignorierend, bin ich auf dem Heimweg von einer Party gestürzt.
Zwei Fingerkuppen waren zertrümmert, mein Handgelenk gebrochen – und ich fühlte mich völlig auf mich allein gestellt und überfordert. Die Ärzte sprachen kein Englisch, also ich war auf die Hilfe meiner Freunde angewiesen, um zu übersetzen. Doch mein Handgelenk wurde nicht richtig behandelt. Die Schmerzen waren kaum auszuhalten.
Als es nicht besser wurde, musste ich zurück ins Krankenhaus – diesmal allein. Es war schwer, mich mit gebrochenem Spanisch Gehör zu verschaffen und ernst genommen zu werden, aber ich hatte keine andere Wahl. Ich habe gelernt, mich durchzusetzen, auch wenn ich unsicher bin. Solche Erfahrungen lassen einen wachsen – nicht, weil sie leicht sind, sondern weil sie einem alles abverlangen.
so, are you sure about that?
Heute weiß ich: Ich war mir vorher nicht sicher. Aber Mexiko war die richtige Entscheidung – trotz (oder gerade wegen) aller Zweifel und Ängste. Ich habe nicht nur gelernt, über den eigenen Schatten zu springen, sondern auch, dass Vorurteile oft nur durch eigene Erfahrungen entkräftet werden können.
Für alle, die noch unsicher sind: Ja, es ist herausfordernd. Doch jede Schwierigkeit bietet die Möglichkeit, sich selbst besser zu verstehen und über die eigenen Grenzen hinauszuwachsen.