Belästigt in Rumänien
Das Land in dem die Männer lauter bellen als HundeLeben und Lernen in Draculas Heimat
Studieren an der Babeș-Bolyai-Universität
Rumänien, das Land von Graf Dracula und alten Burgen, war für mich der Ort meines Auslandssemesters und mein Zuhause für vier Monate. Doch bevor ich auf meine Erfahrungen in diesem Land und auch den eher ungewöhnlichen Titel meines Beitrags eingehe, möchte ich zunächst über die Universität sprechen, an der ich studierte – denn dieser Teil meines Aufenthalts war durchweg positiv.
Während meines Auslandssemesters hatte ich das Privileg, an der renommierten Babeș-Bolyai-Universität (UBB) in Cluj-Napoca zu studieren. Die Universität, eine der ältesten und angesehensten des Landes, beeindruckte mich schon zu Beginn mit ihrer Vielfalt und ihrem internationalen Flair. Besonders die Möglichkeit, Kurse aus verschiedenen Fakultäten frei zu wählen, hat mir gefallen. Dadurch konnte ich mein Semester individuell gestalten und Kurse belegen, die genau meinen Interessen entsprachen – von Journalismus bis hin zu Religion im internationalen Kontext.
Mein Zuhause während dieser Zeit war das Studentenwohnheim, das ich mit anderen internationalen und rumänischen Studierenden teilte. Obwohl es zunächst ungewohnt war, ein Zimmer mit einer anderen Person zu teilen, gewöhnte ich mich schnell daran. Das Wohnheim war einfach, aber funktional ausgestattet, und die Nähe zur Universität war ein großer Vorteil. Auch meine dortige Mitbewohnerin hat meinen Aufenthalt positiv beeinflusst.
Zusammenfassend kann ich also sagen, dass meine Zeit an der Babeș-Bolyai-Universität in akademischer Hinsicht alles erfüllte, was ich mir von einem Auslandssemester erhofft hatte. Die Universität und das Studentenwohnheim boten eine gute Grundlage für eine bereichernde Zeit des Lernens und der persönlichen Weiterentwicklung.
Catcalling statt Gastfreundschaft
Die Kehrseite meines Auslandssemesters
Was ich allerdings nicht erwartet hatte, war, wie oft ich mit sexueller Belästigung konfrontiert worden bin. Natürlich habe ich schon häufiger sexuelle Belästigung erlebt. Ob das anzügliche Blicke, obszöne Sprüche oder gar unerwünschte Berührungen waren – all das sind für mich Beispiele von sexueller Belästigung, und so häufig, wie so etwas in Rumänien vorgekommen ist, habe ich es in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt.
Genau deshalb habe ich mich entschieden, meinen Blogbeitrag darüber zu schreiben, um Bewusstsein zu schaffen und meine Erfahrungen zu teilen. Man muss vorher aber klarstellen, dass dies nur die Erfahrungen sind, die ich und meine Kommilitonin, welche mit mir in Rumänien war, gemacht haben. Das bedeutet weder, dass ich Männer pauschalisieren möchte, noch sollen meine Erfahrungen den Eindruck erwecken, dass alle rumänischen Männer so sind.
Ich nehme an, dass wir alle wissen, dass sexuelle Belästigung ein globales Problem ist, welches Frauen überproportional betrifft. Im Ausland können kulturelle Unterschiede, Sprachbarrieren und ein fehlendes soziales Netzwerk dann dazu führen, dass internationale Studierende besonders anfällig für solche Situationen sind. In Rumänien kommt außerdem noch dazu, dass traditionelle Geschlechterrollen und konservative Werte eine große Rolle spielen.
Verhaltensweisen wie Catcalling, was man als sexuelle Belästigung ohne Körperkontakt versteht, werden dort sichtlich nicht als schwerwiegend angesehen. Dies fiel mir jedes Mal auf, wenn mir hinterhergerufen wurde und niemand darauf reagierte. Nicht einmal Frauen haben in irgendeiner Weise darauf reagiert, egal wie aufdringlich der Mann wurde.
Eine Begegnung, bei der mir dies besonders auffiel, fand in meinem zweiten Monat in Rumänien statt. Ich bin zur Universität gelaufen, mein Körper war bis auf meine Arme und meinen Kopf komplett bedeckt – eben weil ich sexuelle Belästigung vermeiden wollte – und trotzdem konnte ich dem nicht entgehen. Mir kam ein Pärchen entgegen und plötzlich bewegte sich der Mann, sodass er mir den Weg abschneiden konnte, und bellte mich mehrfach an, während sein Blick auf meiner Brust festhing.
Ich war so verwirrt, dass ich erst gar nicht mitbekommen habe, dass seine Freundin bloß lachte, während er so nah an mir vorbeiging, dass er meine Schulter berühren konnte; sein Blick noch immer an mir klebend. Auch als ich weiterging, hörte ich beide noch lachen, während ich noch immer verwirrt und peinlich berührt war.
Dieser fremde Mann hat mir auf öffentlicher Straße, während dutzende Menschen durch die Straßen liefen und im Beisein seiner Freundin, auf meine Brust gestarrt und mich laut angebellt, ohne dass irgendjemand etwas dazu gesagt hat, ohne dass jemand auch nur in unsere Richtung geschaut hat.
Diese Situation bewies mir nicht nur, dass es egal war, wie ich mich kleidete, sondern auch, dass sexuelle Belästigung in Rumänien anders wahrgenommen wird als in Deutschland. Trotzdem hat dieses Wissen mir nicht geholfen, da ich mich trotzdem beinahe täglich mit solchen Situationen auseinandersetzen musste.
Bis heute verstehe ich nicht, wie es sein kann, dass die Menschen dort darüber lachen, wie sie es ignorieren können; vor allem, wenn es offensichtlich ist, dass die Frau, welche belästigt wird, sich unwohl fühlt. Unverständlich ist auch, dass Catcalling als normal und stellenweise sogar als Kompliment wahrgenommen wird, etwas, das ich in Gesprächen gehört und einmal sogar live erlebt habe.
Einige Tage nachdem ich angepöbelt worden war, beobachtete ich nämlich, wie einer augenscheinlich rumänischen Frau hinterhergerufen wurde, welche sich dann zu ihrer Freundin drehte und lächelnd auf das nun verschwundene Auto zeigte.
Natürlich kann ich die Situation falsch verstanden haben, sei es aufgrund meiner fehlenden Sprachkenntnisse oder meiner eigenen Erfahrungen, die diese Situation in einem anderen Licht zeigen, aber es gibt kaum etwas anderes, das es anstelle von Catcalling hätte sein können.
Auch in dieser Situation war ich verwirrt und fühlte mich unwohl, ein Gefühl, welches mich durch meine verbleibende Zeit begleitet hat. Der Fakt, dass ich sexueller Belästigung nicht entgehen konnte, hat dieses nur verstärkt, auch wenn man sich mit der Zeit daran gewöhnt hat. Das einzig Gute an dieser Situation, wenn man das als positiv sehen kann, ist, dass ich gelernt habe, mehr auf mein Bauchgefühl zu vertrauen.
Als zum Beispiel das Pärchen auf mich zukam, habe ich kurzzeitig das Gefühl gehabt, als müsste ich die Straßenseite wechseln, habe dieses jedoch ignoriert, da ich keinen Grund dafür gesehen habe. Auch später gab es einige Situationen, in denen ich auf mein Bauchgefühl hätte hören sollen, um Belästigungen zu vermeiden. Ich bin auch besser darin geworden, unsichere Situationen zu erkennen, etwas, zu dem ich zwar vorher schon fähig war, aber nun deutlich schneller schaffe.
Genau deswegen würde ich mein Auslandssemester nicht noch einmal in Rumänien machen, etwas, was ich sehr schade finde, da die Kurse, die Professoren und die Universität im Ganzen sehr angenehm waren. Nur leider kann ich über den ständigen Stress, den ich aufgrund der Belästigung hatte, nicht hinwegsehen. Vor allem, weil ich auch jetzt noch nervös werde, wenn mir Männer entgegenkommen oder mich ansprechen.
Der Fakt, dass ich aufgrund meiner Erfahrungen jetzt überall nach möglichen Gefahren suche, macht das Ganze nicht viel besser. Trotz dessen heißt das nicht, dass es den nächsten Studenten, die in Rumänien studieren, genauso ergehen wird. Mit diesem Beitrag wollte ich, wie schon erwähnt, nur meine Erfahrungen teilen und zeigen, dass man sich bei der Vorbereitung auf das Auslandssemester auch darauf vorbereiten muss.
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass mein Auslandssemester in Rumänien von vielen gemischten Gefühlen geprägt war, da die akademische Erfahrung an der UBB durchaus positiv war – nur leider wurde sie von den negativen Ereignissen außerhalb der Universität beschattet.
Also, auch wenn Dracula euch nicht beißen wird, könnte es dennoch passieren, dass der ein oder andere Mann es versucht – zumindest metaphorisch. Bleibt wachsam, hört auf euer Bauchgefühl und seid darauf vorbereitet, euch in unangenehmen Situationen zu behaupten. Denn am Ende des Tages soll ein Auslandssemester eine bereichernde Erfahrung sein – und mit der richtigen Vorbereitung wird es das auch.
Trotz allem bleibt mein Auslandssemester in Rumänien eine wertvolle Erfahrung - mit all ihren Höhen und Tiefen, die mich letztlich stärker und aufmerksamer gemacht haben.