Sonnenuntergang in Albufera

Wo Feuer vereint

Jasmin BörnertLänder & Sitten, 2025, Begegnungen, Erlebnis Leave a Comment

Wo Feuer vereint

zwischen Chaos und Neuanfang
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17. Januar 2025

Blitzlichtgewitter, bunte Farben, der Boden zittert – nein, ich befinde mich weder inmitten eines
Erdbebens noch stehe ich auf dem roten Teppich – ich bin in Valencia in Spanien.

Gerade laufen hier die Feierlichkeiten zu Fallas – dem Frühlingsfest, das 3 Wochen lang in der Region zelebriert wird. Die Zeit, in der das Verbot zum öffentlichen Trinken aufgehoben scheint (ja, normalerweise ist das öffentliche Konsumieren von Alkohol in Spanien verboten) und Feuerwerke nach einem Jahr endlich wieder erlaubt sind. Die Straßen sind mit Lichtinstallationen geschmückt und Paraden bestimmen die Tagesordnung. Die Spanier jedenfalls scheinen es auszukosten.

Nach den dreiwöchigen Feierlichkeiten ist die Ausgelassenheit am letzten Abend immer am extremsten. Denn da werden die wunderschönen, bunten und detailreichen Figuren, die sogenannten Fallas, abgebrannt. Dieser Prozess symbolisiert den Neuanfang, Vergangenes hinter sich zu lassen und die Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaft.

Fallas Figur vor dem Verbrennen
Fallas Figur während des Verbrennens

Man kommt sich vor wie in einem Film.
Rechts und links lassen Kinder Handfeuerwerke knallen, die Polizei steht daneben und schaut zu und die meisten Straßen sind nicht mehr befahrbar.

Es ist wie in einer Anarchie – pures Chaos.

Und doch so schön.

Tauben als Fallas Figur auf dem Rathausplatz
Fallas Figuren auf dem Rathausplatz
dieses Jahr zwei Tauben
Parade mit Falleras
Parade in Valencia
Falleras tragen die traditionelle valencianische Tracht
Lichtinstallation in Valencia während Fallas
Lichtinstallationen
in der ganzen Stadt verteilt

    Aber wie kann das sein? Wie kann für mich als durchschnittlicher deutscher Staatsbürger, dem seine Ordnung und Organisation doch so wichtig sind, dieses Chaos gefallen? Im ersten Moment denke ich, es liegt daran, dass es etwas Neues, etwas Ungewohntes, etwas Spektakuläres ist. So eine Art Fest ist mir zu Hause noch nie unter die Nase gekommen. Und im zweiten Moment, ohne dass man weiß wie einem geschieht, reißen Menschenmassen einen mit ins Geschehen. Auf einmal ist man mittendrin.

    Durch das ganze Spektakel, die traditionellen Trachten, die laute Musik und die vielen Eindrücke verliere ich mich einen Moment in diesem Rausch.

    Doch dann besinne ich mich wieder. Wie bin ich hier gelandet? Ich stehe mitten in den elegant und reich verziert gekleideten Falleras und weiß gar nicht wie ich auf einmal in dieser Parade gelandet bin. Doch dann sehe ich mich um und bemerke, dass meine Freunde in derselben Situation sind. Die Menschenmasse nimmt ein Ende und wir sehen wohin uns der Strom getragen hat - an den Höhepunkt des Abends.

    Zahlreiche Menschen warten auf einer Erhöhung, um uns herum kracht und knallt es überall. In den Parks wird geböllert, kleinere Feuerwerke gezündet und das unter tosendem Beifall. „Die drehen doch total am Rad“, denke ich mir, aber gleichzeitig finde ich es auch sehr erfrischend. Versteht mich nicht falsch. Ich hatte schon auch Angst, dass mich gleich jemand mit Feuerwerk abschießt, vor allem weil auch schon fünfjährigen Kindern Knallzeug in die Hand gedrückt wird. Aber trotzdem hatte ich in mir auch vollstes Vertrauen und ein Gefühl von Sicherheit. Die machen das jedes Jahr, die sollten mittlerweile Profis sein. Wieder werde ich von einem alles übertönendem Laut aus meinen Gedanken gerissen. Das ist der Startschuss. Ein überragendes Feuerwerk erleuchtet den Nachthimmel. 20 Minuten lang starren alle gebannt hinauf zu den Sternen und lassen sich von dem Schauspiel verzaubern. Genauso wie die Feuerwerke am Himmel zerstreuen sich auch meine gemischten Empfindungen und ich fühle mich richtig angekommen und genieße einfach den Moment.
    ein buntes Feuerwerk am Himmel
    Feuerwerk
    rote Feuerwerksexplosionen
      Dieses Gefühl, wenn man mit unzähligen, fremden Leuten stillschweigend am Boden steht, in die Nacht schaut und das Spiel der Farben bewundert, ist für mich unbezahlbar. Ein Glück ist diese Aktion nicht allzu selten in Valencia.
      Fallas gilt als das Fest zur Begrüßung des Frühlings. San Juan als Willkommensgruß des Sommers. Auch hier ist Feuer ein zentrales Element.

      Es ist die Noche de San Juan

      oder wie man in Deutschland sagt: Sommersonnenwende.

      Sobald die letzten Strahlen der Sonne erlöschen, werden Gruben in den Sand gebuddelt, Holz aufgetürmt und Lagerfeuer errichtet. Binnen einer Stunde leuchtet der ganze Strand wieder auf und die Nacht wird zum Tag gemacht. Ich lasse mir sagen, dass das Feuer Glück bringen soll. Da wir nicht genug Holz für ein Feuer auftreiben konnten, lädt uns eine Gruppe Spanier mit an ihr Feuer ein. Ich habe mich riesig gefreut, denn so ohne brennenden Mittelpunkt hat man sich doch ein bisschen ausgegrenzt gefühlt. Es fühlt sich an, wie das Zusammenkommen vieler großer Familien und hinterlässt in mir ein Gefühl der Wärme und Freude über diesen Abend.

      Doch irgendwann beginnen Menschen über ihre Feuer zu springen und ich fühle mich wie bei einem Stamm aus dem Urwald. Oder wie inmitten alter Bräuche aus dem Mittelalter. Wo bin ich denn hier gelandet?

      Es stellt sich jedoch heraus, dass diese Tradition zur Reinigung von Körper und Seele dient. Mein verwirrter Blick und die Fragen verflüchtigen sich und ich beginne mich richtig wohl zu fühlen. Was für eine schöne Tradition! Selbst über das Feuer zu springen habe ich mich dann aber doch nicht getraut.

      Um Mitternacht nimmt mich meine spanische Freundin an die Hand und wir rennen auf die Wellen zu, genauso wie alle anderen, die am Strand sind. Dieses nächtliche Baden steht für die symbolische Reinigung von den bösen Geistern. Als wir wieder zurück ans Feuer kommen, beginnen die Spanier „Feliz Cumpleaños“ zu singen und ich frage mich wer Geburtstag hat. Aber anscheinend sind wir es, für die gesungen wird. Zunächst denke ich, es könnte daran liegen, dass wir freiwillig in das kalte Wasser gerannt sind. Aber was tut man nicht alles für die ewige Schönheit? Das ist jedenfalls einer der Gründe, warum die Spanier sich mitten in der Nacht in die Wellen stürzen. Das Ständchen haben wir uns allerdings verdient, denn unsere Reinigung  war wie eine symbolische Wiedergeburt.

      Doch irgendwann endet auch die kürzeste Nacht des Jahres, und nach diesem Abend fühlte ich mich tatsächlich ein bisschen wie neu geboren.

      Feuer bei der Noche de San Juan
      ein großes Feuer für alle
      pünktlich zu Mitternacht
      Feuerrauch bei der Noche de San Juan
      roter Nebel zieht auf
        Woran auch immer es lag – der kalte Sprung ins Wasser, die mich umhüllenden Feuerwerke, das erwärmende Feuer oder einfach die Leidenschaft der Spanier – ich habe mich willkommen gefühlt. Man gehört einfach dazu, selbst wenn man sich nicht so gut auf Spanisch verständigen kann. Anfangs ist im Ausland meist alles so chaotisch wie auf den Straßen von Valencia während ihren Festlichkeiten. Aber wenn man versucht seine kulturelle Brille abzusetzen und die Besonderheiten der fremden Kultur akzeptiert, dann findet man in diesem Chaos auch seine schönen Seiten. Und ich habe erkannt, dass das Feuer(werk) in Valencia vor allem Menschen zusammenbringt und ein Gemeinschaftsgefühl entstehen lässt. Und genau das macht Spanien und seine Kultur auch so wundervoll.
        Turia Park mit Blick auf Ciudad de les Artes
        Vor den Wolkenkratzern von Benidorm
        Ausblick auf Calpe
        Jasmin in Toledo
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