orangefarbener Sonnenuntergang am Strand

Ticos, Tacos, Todo bien – Ein Semester in Costa Rica

Jenny Kreßner2025, Erlebnis, Länder & Sitten Leave a Comment

Ticos, tacos, todo bien

Ein Semester in Costa Rica

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17. Januar 2025

Pura was?

„Deine Spezialaufgabe für dieses Semester wird es sein, herauszufinden, was „Pura Vida“ bedeutet! Ich schaue den Professor an und lache, ich weiß nicht so richtig, was er damit meint. Tatsächlich ist es eine Frage, die mich die kommenden Wochen und Monate immer wieder beschäftigen wird, denn ich verbringe sie in Costa Rica. Einem wunderschönen Land mitten in Zentralamerika. Zwischen weißen und schwarzen Stränden, von Palmen gesäumt, angrenzend an riesige Nebel- oder Regenwälder mit Vulkanen und Wasserfällen liegt San José, die Hauptstadt und der Sitz meiner Universität für ein Semester. Die Universidad Latinoamericana de Ciencia y Tecnología, kurz ULACIT, gab mir die Möglichkeit, das Leben in Costa Rica von einer anderen Sicht kennenlernen zu dürfen, als der eines Touristen. Mit unheimlich vielen wunderschönen Erinnerungen bin ich im September wieder zurückgekommen. Jedoch war nicht alles immer Jubel, Trubel, Heiterkeit. Fast 10.000km entfernt von der Heimat ist es eben nicht immer wie man es gewohnt ist und wie das für mich war, liest du hier:

Anders als gedacht

Angekommen in San José und an der ULACIT, wurde ich schnell mit einer Realität konfrontiert, die mich tatsächlich ziemlich überrascht hat. Anders als an unserer Hochschule, gab es hier nicht wirklich eine Community, wo man leicht Anschluss finden konnte. Stattdessen waren „wir“, Tobi, Maddie und ich, die drei einzigen Austauschstudierenden in diesem Semester, nach der Einführungsveranstaltung auf uns allein gestellt. Es gab kein richtiges Buddy-Programm, keinen Club, wie unseren Cosmo-Club hier in Mittweida, der regelmäßigen Treffen oder Veranstaltungen mit anderen Studierenden organisierte und auch sonst nicht wirklich eine internationale Community. Dieses Fehlen von Events und Gemeinschaft ließ mich hin und wieder das Gefühl haben, etwas isoliert zu sein und nicht dazuzugehören.

Bin ich hier richtig?

Ziemlich deutlich wurde diese Distanz auch im Unterricht. Obwohl Englisch eigentlich die Unterrichtssprache war, gab es häufig Diskussionen in Spanisch, entweder zu Themen nicht direkt die Lehre betreffend, oder weil jemand auf Englisch nicht weiter wusste und dann alle auf Spanisch geschwenkt sind. Dabei zu sein und doch ausgeschlossen zu werden, war frustrierend. Mein Spanisch reichte schlicht nicht aus, um den Gesprächen zu folgen, geschweige denn, selbst etwas beizutragen. Diese Momente, in denen ich wie ein stiller Beobachter am Rande saß, ließen mich wie einen Eindringling zurück. Wenn ich dann doch einbezogen wurde, fehlte mir oft das Hintergrundwissen, um mitzuhalten – ein Kreislauf, der mich unsicher und fehl am Platz fühlen ließ.

Auch im Alltag war die Sprachbarriere ebenfalls eine Herausforderung. Die Ticos, wie die Costa Ricaner sich selbst nennen, waren unglaublich freundlich und offen. Sie freuten sich über jeden meiner holprigen Versuche, eine Konversation anzufangen und versuchten, mir zu helfen, wo sie konnten. Dennoch waren tiefere Gespräche oder echte Verbindungen schwierig. Der Wunsch, mehr Teil der Gemeinschaft zu sein, kollidierte immer wieder mit meinen sprachlichen Grenzen.

Privileg BAfög

Ein weiterer Aspekt, der mich ebenfalls überraschte, war die Lebensrealität einiger costa-ricanischen Studierenden. Viele von ihnen arbeiteten tagsüber Vollzeit, um ihr Studium überhaupt finanzieren zu können, normalerweise neun Stunden am Tag, und nahmen abends – zwischen 18 und 21 Uhr – an den Vorlesungen teil. Ihre Belastung war enorm und doch war es aus meiner Sicht beeindruckend, wie sie das meisterten. Eine Kommilitonin erzählte mir, wie sie Arbeit, Uni und ein Praktikum gleichzeitig bewältigen musste. Solche Geschichten machten mir bewusst, wie privilegiert mein eigenes Leben war.Als Sie mich daraufhin fragten, wie ich mein Studium finanziere und ich vom BAföG erzählte, waren meine Mitstudierenden sehr überrascht, dass so etwas in Deutschland fast jedem zugänglich ist. Dieses vor-Augen-führen meiner Privilegien war beinahe unangenehm. Mir wurde klar, wie selbstverständlich manche Dinge für viele deutsche Studierende sind, die für viele Menschen hier in Costa Rica unerreichbar und auch außerhalb ihrer Vorstellungskraft sind.

    Natürlich bestand meine Zeit in Costa Rica meistens eher aus angenehmeren Erfahrungen. Das Land hat so unheimlich viel zu bieten, dass man wahrscheinlich selbst nach Jahren noch nicht alles gesehen hat!

    Bereits kurze Zeit später vermisse ich Costa Rica und auch die Ticos. Ich vermisse die traumhaften Strände, die atemberaubende Natur, die exotischen Tiere und überall und die freundlichen Menschen. Nicht nur die tollen Erinnerungen auch viele Fotos bringe ich mit nach Hause.

    Das sind ein paar meiner Lieblingsbilder:

      Wieder im Alltag

      Diese Erlebnisse haben mich nicht nur herausgefordert, sondern auch meine Perspektive erweitert. Sie haben mir gezeigt, wie unterschiedlich man das Gefühl von Fremdheit empfinden kann, wenn man plötzlich Teil einer anderen Welt wird, ohne sie vollständig zu verstehen. 

      Zurück zu Hause wurde mir noch einmal viel stärker bewusst wie gut es mir hier eigentlich geht. Meine kleine Studentenwohnung, mein riesiger Supermarkt direkt nebenan in dem jeder meine Sprache spricht, Öffis, die einen halbwegs zuverlässig sind und das Glück, dass ich durch BAföG nicht Vollzeit arbeiten gehen muss. Die Tatsache, dass ich durch meine vielen Privilegien die Möglichkeit hatte, dieses Abenteuer erleben zu dürfen, hat mich nachdenklich gemacht. Es hat mir bewusst gemacht, wie selbstverständlich Dinge oft für uns sind, die für andere unerreichbar scheinen.

      Ich bin stolz, dass ich das Semester an der ULACIT so gut gemeistert habe – trotz der Herausforderungen mit der Sprache, dem neuen Lernumfeld und den späten Vorlesungszeiten. Ja, es war anstrengend, aber auch bereichernd. Die Erfahrungen in Costa Rica haben mich nicht nur widerstandsfähiger gemacht, sondern auch selbstbewusster. Nicht nur Land und Leute, sondern auch mich selbst konnte ich vor Ort besser kennenlernen. 

      Pura was? - Vida!

      Und was bedeutet nun „Pura Vida“? Nach diesem Semester, habe ich eine Idee: „Pura Vida“ ist mehr als nur ein Spruch – es ist ein Lebensgefühl, ein Motto, ein Wort für jede Gelegenheit. Es steht für Gelassenheit, Lebensfreude und die Fähigkeit, auch in schwierigen Momenten locker zu bleiben. Ein „Pura Vida“ ist die Herzlichkeit der Ticos, ihr „Alles wird gut“-Lächeln, wenn etwas schiefgeht, ihre Art zu sagen „Gern geschehen“ oder „Alles Gute“ zu wünschen.

      Diese Worte nehme ich nun mit in mein Leben. „Pura Vida“ ist mein kleiner Reminder, dass das Leben nicht perfekt sein muss, um schön zu sein.

      In diesem Sinne:

      PURA VIDA!

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