Ein Leben zwischen Akzeptanz und Toleranz
Die vielfältigste Stadt der Welt - Singapur
„VIELFÄLTIGKEIT“– Islam, Taoismus und viele andere Religionen – alle fügen sich zu einem toleranten Miteinander in den Alltag Singapurs ein. Ein atemberaubendes Sammelsurium aus chinesisch, malaiisch und tamilisch bewegt sich auf Mopeds durch den tropischen Inselstaat. Rassismus? Hat hier keinen Platz.
Wenn sich alle verständigen müssen, sprechen die Singapurer Englisch, das sogenannte „Singlish“. Eine Gruppe buddhistischer Mönche trifft sich mit Anhängern einer christlichen Kirche zum Abendessen im sogenannten Hawker-Center, welches ein internationaler Sammelplatz verschiedenster Speisen ist. Es wird viel gelacht, und eine gewisse Toleranz untereinander wird deutlich.
Nirgendwo gibt es Verfeindungen oder Uneinigkeit zwischen den verschiedenen Kulturkreisen. Warum nicht? Und wie leben all diese Menschen, da es die wohl teuerste Stadt der Welt ist?
Kein Frieden in der Welt -
ohne Frieden zwischen den Religionen
Vor meiner Reise beschäftigte ich mich bereits mit dem Begriff der „Fremdheit“ und was mich im Inselstaat erwarten würde. Bereits kurze Zeit nach meiner Ankunft stellte ich fest, dass kein anderes Land auf dieser Welt mich jemals so herzlich empfangen hatte. Das Interessante daran war, dass ich erst nach meiner Rückkehr in Deutschland eine Art Fremdheit empfand - jedoch für mein eigenes Heimatland. Ich bilde mir meine eigene Meinung, die demnach lautet: „Der Frieden ist die Grundlage für die Existenz des multikulturellen und multireligiösen Singapur.“ Doch sollte dies nicht auch in Deutschland ermöglicht werden? Dabei wäre das wichtigste Ziel doch die religiöse Harmonie, erreicht durch Toleranz, Vertrauen, Respekt und gegenseitiges Verständnis. Wie kann es möglich sein, dass 5,5 Millionen Menschen verschiedenster Herkunft und Religionszugehörigkeit friedlich auf engsten Raum zusammenleben können? Und wieso kann dies in Deutschland nicht genauso umgesetzt werden?
Die Wahrheit
Ich frage Jay, eine Einheimische, mit der ich in einem chinesischen Restaurant zwischen all diesem Multikulti sitze. „Wir Singapurer gelten als zurückhaltend und introvertiert“, sagt sie. „Wenn man ehrlich ist, liegt viel von diesem Wesen aber in der Art begründet, wie der Staat uns reguliert.“ Als ich genauer auf ihre Worte einging, stellte ich fest, dass vieles in den Medien doch etwas hochtrabend formuliert ist. Es geht um die eigentliche Einsamkeit der Bewohner des Inselstaates, ausgelöst durch genau diese multikulturelle Vielfalt. Dies lässt mich an Deutschland, mein Heimatland, denken. „Warum funktioniert dieses Miteinander bei euch nicht?“, fragte sie mich. In Deutschland hat die Meinungsfreiheit die Oberhand. Überall erlebe ich, dass in Singapur bereits kleinere Verstöße gegen die staatliche Ordnung auf brutalste und angsteinflößende Weise durchgesetzt werden. Auch wenn dies für Deutschland nicht zutreffend ist, empfand ich es nicht als ein Fremdheitsgefühl. Denn ich stehe voll und ganz hinter der Umsetzung in Singapur. Jay sagte daraufhin: „Das ist eine Art und Weise, die ich an meinem Land sehr zu schätzen weiß. Ohne Regeln würde es in jedem Land zu Konflikten kommen.“ Für mich änderte der Auslandsaufenthalt einiges in Hinsicht auf Deutschland und seine Gesetze. Es sollte mehr Sanktionen geben, um den Frieden aufrechtzuerhalten. Dies wurde mir nach meiner Rückkehr klar.
Zusammenhalt in der teuersten Stadt der Welt
Die Mietpreise in Singapur sind jenseits von Gut und Böse. Deshalb quetschte ich mich gemeinsam mit zwei Kommilitoninnen in ein kleines Zimmer, bei dem man fast schon Platzangst bekommt. Besonders auffällig war die sorgfältig arbeitende Haushälterin. Sie arbeitete scheinbar Tag und Nacht, damit sie ihren Job nicht verlieren würde. Eines Tages fragte ich sie, ob sie ein eigenes Zuhause hat oder auch im selben Gebäude wie wir wohnt. In diesem Moment färbte sich ihr Gesicht in ein leuchtendes Rot. Sie vertraute mir bereits und sagte: „Nein. Mein Arbeitgeber stellt mir eine Wohnung, in der ich verweile, wenn ich ausnahmsweise an einem bestimmten Tag keine 15 Stunden arbeiten muss. Von meinen 200 Euro Bruttolohn, mit dem ich meine Familie in Indonesien zusätzlich versorge, bleibt davon kaum etwas für mein Überleben im Inselstaat übrig.“ Diese Nachricht schockierte mich zutiefst. Ich fing an nachzudenken und stelle fest, dass auch die Schattenseiten am Leben in der teuersten Stadt der Welt beleuchtet werden sollten. Aber im Vergleich zu Deutschland sind die Bewohner in Singapur selbst mit in unseren Augen „kleinen und einfachen“ Dingen zufrieden und wissen das Leben anderweitig zu schätzen. Ich sagte ihr, dass kein Land der Welt perfekt ist und ich ihr wünsche, dass sie eines Tages die Chance bekommt, ein Leben ohne Existenzängste führen zu können.