Eine Gruppe von Menschen posiert in traditioneller Kleidung an einem dekorierten Veranstaltungsort für ein Event.

Fremdheitserfahrung der besonderen Art – Eine Hochzeit in Indonesien

Lea GrunewaldErlebnis, 2025, Begegnungen, Culture Clash, Länder & Sitten Leave a Comment

Hochzeit in Indonesien

Eine eindrucksvolle Fremdheitserfahrung
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17. Januar 2025

 

 

26.12.2023: Es geht los. Die Koffer sind gepackt. Meine Eltern, mein Bruder, seine Frau und ich werden uns für fünf Stunden mit unserem Gepäck in ein Auto quetschen, um nach Frankfurt am Main zu fahren, denn von dort aus soll unsere große Reise beginnen. Seit fast einem Jahr steht fest: Die Hochzeit meines Bruders und seiner indonesischen Frau wird noch einmal mit ihrer Familie in ihrem Heimatland im ganz großen Stil gefeiert – eine vollkommen fremde Erfahrung für mich und meine Eltern. Der erste Langstreckenflug, das erste Mal Asien, das erste Mal ihre Familie kennenlernen.

 

 

Angekommen.

Alles war anders als gewohnt. Feuchte, heiße Luft. Abgase. Linksverkehr. Seltsam eckige Autos. Fremde Sprache. Andere Menschen. Andere Religion und Kultur. Doch zum Glück kannte sich mein Bruder bereits etwas aus. Er war schon vor einem halben Jahr hier, und natürlich hatten wir Chachi – seine Frau, geboren und aufgewachsen in Indonesien. Durch sie wurde für uns alles geregelt und sie konnten uns Dinge erklären und übersetzen, wie zum Beispiel das Essen, das wir nach dem 16-stündigen Flug dringend brauchten. 

Als Familie des Bräutigams, aber vor allem da wir aus einer fremden Kultur stammten, welche nicht dieselben Hochzeitsbräuche hatte, mussten wir mit kultureller, feierlicher Tracht eingekleidet werden. Ein besonderes Erlebnis, denn noch nie trug jemand von uns nur ansatzweise ähnliche Kleidung – es fühlte sich an wie ein Kostüm, doch gleichzeitig fühlten wir uns geehrt, diese Kleidung als Nicht-Indonesier tragen zu dürfen.

 

 

 

 

Culture Clash

Auf dem Weg zum Hotel wurde uns bereits erklärt, wie man andere Menschen in Indonesien begrüßt – eine Kultur, in der, anders als in Deutschland, bereits durch die Art der Begrüßung Respekt gezollt werden muss. Die Hand eines älteren Begrüßungspartners muss dabei bspw. vom Jüngeren, während er sich mit dem Oberkörper nach vorn beugt, an die Stirn geführt werden. Für uns Deutsche, welche noch nie besonders großen Kontakt zu fremden Kulturen hatten, eine eher seltsame und intime Art der Begrüßung, so empfanden wir bei der zumindest versuchten Umsetzung dessen auch ein wenig Scham. Sie betrat die Intimsphäre, welche man in der deutschen Kultur normalerweise nur enge Bekannte betreten lässt.

Glücklicherweise nahmen die Hochzeitsgäste uns nicht übel, wenn wir daran gescheitert sind, sie korrekt zu begrüßen, und doch aus Versehen zum Händeschütteln geneigt haben. Sie wussten, dass wir der Kultur fremd waren, was ziemlich offensichtlich war, und waren vermutlich genau so überfordert und aufgeregt bei der Begegnung, wie wir. 

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Hochzeit

Eine indonesische Hochzeit miterleben zu dürfen war etwas sehr Besonderes, denn sie könnte nicht unterschiedlicher sein als die mir Bekannte. Die emotionalen Traditionen und Bräuche beeindruckten mich sehr, meine Eltern wurden dabei sogar selbst Teil der Zeremonie. Sie standen und saßen gemeinsam mit dem Brautpaar sowie den Eltern der Braut auf der Bühne, und das Traupaar musste als Teil der Zeremonie vor den Eltern niederknien und sich bedanken. Dieser Brauch und ebenso der Part, als der Bräutigam mit nackten Füßen ein unter einer Tonschale liegendes Ei zertreten und seine Braut später dessen Fuß mit Wasser übergießen musste wirkte für uns ziemlich merkwürdig – manchmal überkam uns auch ein leichtes Schmunzeln. Er soll symbolisieren, dass der Mann die Fähigkeit besitzt, für Nachkommen in der Familie zu sorgen, und dass Ehemann und Ehefrau ihre jeweiligen Rollen und Pflichten im Haushalt haben. Für uns war dieser Ritus vollkommen fremd, doch für die Indonesier eine ganz normale Tradition.

So saßen wir dann als einzige Europäer, verkleidet als Indonesier, zwischen 150 SüdostAsiaten. Wir waren neben dem Brautpaar das Highlight des Abends und viele Gäste kamen auf uns zu und wollten ein Foto mit uns machen. Egal ob jung, alt oder der Existenz einer Sprachbarriere, wurden uns neugierig Fragen gestellt, Dinge erklärt, oder gezeigt, welches Handzeichen cool ist und für das Bild verwendet werden sollte. 

 

Fremdheitserfahrung

Am Ende des Tages waren wir erschöpft. Es gab viele Begegnungen und Erlebnisse zu verarbeiten, doch wir waren glücklich. Glücklich, dass sich uns eine Welt geboten hat, welche so anders und doch so herzlich war. Die Fremdheit hat uns nicht getrennt, sondern verbunden, und die Offenheit, mit der wir empfangen wurden, und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, haben eine Brücke zwischen den Kulturen geschlagen. Aber ich bin auch sehr froh, diese Reise mit meiner Familie gemacht zu haben, denn ein Stück Heimat in einer fremden Umgebung macht die Dinge viel einfacher, und das kann ich jetzt besonders auch nach meinem Auslandssemester sagen. Gemeinsam fremd in einer anderen Kultur oder neuen Umgebung zu sein, verbindet umso mehr. Nicht nur bereits vorher Bekannte, sondern auch Fremde wie zum Beispiel Erasmus-Studenten im Ausland. Gemeinsamkeiten verbinden also immer – gemeinsam fremd im anderen Land oder gemeinsam fremd der anderen Kultur.

Eine Wand in einem Flughafenkorridor zeigt eine beleuchtete Stadtsilhouette mit einem Schild „Willkommen in CGK“.

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