Allein in der Ferne
Auf der anderen Seite der Welt
Ich stieg mit gemischten Gefühlen in den Flieger. Angst aber auch Neugier auf das, was vor mir lag. Das sollte das erste Mal sein, dass ich allein so weit weg von meiner gewohnten Umgebung leben musste. Und das ganze 6 Monate. Ich hatte so viele Erwartungen, Gedanken aber auch so viele Unsicherheiten. Was würde ich erleben? Wie würde ich mit der Kultur und den Menschen zurechtkommen? Meine Reise führte mich nach Indonesien, einem Land der Vielfalt, mit seiner außergewöhnlichen Natur und den vielen ethnischen Gruppen. Ich wusste, dass ich in wenigen Monaten eine riesige Bandbreite an Eindrücken verarbeiten musste.
Schon beim ersten Atemzug der Luft merkte ich, dass hier alles anders war. Nicht nur das Klima, auch das Gefühl, hier zu sein, war ein anderes. Es war, als ob die Anspannung der letzten Wochen der Vorbereitung und der Anspannung von mir abfiel. Es fühlte sich nicht nur nach einem physischen, sondern auch nach einem emotionalen Ankommen an. Es gab so viel Neues zu entdecken und kennenzulernen – die Menschen, die Kultur, der Alltag. Aber es war zuerst die Hilfe und Freundlichkeit, die mir sofort auffiel, die mich direkt ankommen ließ.
Angefangen bei den kleineren Dingen wie dem Abschluss eines Telefonvertrags oder der Taxifahrt zur ersten Unterkunft. Die Indonesier gingen sofort auf mich zu, boten ihre Hilfe an, ohne irgendeinen Hintergedanken. Es schien selbstverständlich, sich gegenseitig zu unterstützen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Und das nahm mir sofort ein Stück meiner anfänglichen Unsicherheit. „Komme ich auf der anderen Seite der Erde überhaupt alleine klar?“, fragte ich mich noch im Flugzeug. Doch nach den ersten Begegnungen stellte ich fest, dass diese Menschen mir das Gefühl gaben, nicht nur willkommen zu sein, sondern auch nicht allein und verloren zu sein.
Indonesien ist zudem kein reiches Land. Es ist ein Land, in dem viele Menschen unter Armut leiden, in dem Hunger und fehlende medizinische Versorgung an der Tagesordnung sind. In meinem bisherigen Leben hatte ich Zugang zu einem anderen Lebensstandard als die meisten Indonesier. Ich konnte mir Dinge leisten, die hier als selbstverständlich gelten, während sich viele der Einheimischen nicht einmal eine grundlegende Krankenversicherung leisten konnten.
Die Armut war allgegenwärtig. Doch trotzdem oder vielleicht gerade deswegen fühlte ich in Indonesien eine tief verwurzelte Dankbarkeit und einen unerschütterlichen Respekt gegenüber anderen Menschen. Die Einheimischen schätzten selbst die kleinsten Dinge. Ein einfaches „Terima Kasih“ (Danke) klang oft ehrlicher und von Herzen kommender als das, was ich in Deutschland gehört hatte.
Ein prägendes Beispiel für diese Dankbarkeit erlebte ich in einem kleinen, abgelegenen Dorf während meiner Reise in den Semesterferien. Eine Familie, die während meiner Zeit auf Bali neben uns wohnte, bot uns Abends ein Stück von ihrem Essen an. Es war jedoch offensichtlich, dass die Familie ebenfalls von der Armut betroffen war. Umso mehr schätzte ich die Geste und den gegenseitigen Respekt in der Situation. Und genau in diesem Moment wurde mir klar, dass Dankbarkeit nicht von Reichtum und Luxus abhängt, sondern von der persönlichen Einstellung das Leben und das Miteinander zu schätzen.
Gegensätze
Es war nicht nur die Armut, die mich nachdenklich stimmte. Es war auch die Art, wie stark der gegenseitige Respekt in Indonesien verankert war.Im Umgang mit den Menschen, aber auch im Umgang mit der Natur spürte ich eine Achtsamkeit, die in Deutschland oft durch Schnelllebigkeit verloren gegangen ist. In Indonesien schien man den Moment zu leben und nicht in der ständigen Jagd nach mehr, schneller und weiter verloren zu sein. Im Gegensatz dazu fühlte ich mich in Deutschland oft von einer immer größer werdenden Undankbarkeit und einem ständigen Drang nach mehr getrieben.
Habe ich aus der indonesischen Perspektive verstanden, dass mich diese Hektik zu Hause stört? Ja, es wurde mir zunehmend klar, dass ich in Deutschland oft das Gefühl hatte, nie im Moment leben zu können. Immer ging es darum, die nächste Stufe zu erreichen, sei es beruflich oder privat. In Indonesien dagegen, selbst inmitten von Herausforderungen, schien es eine tiefere Wertschätzung für den jetzigen Moment zu geben. Und diese Lebensweise zog mich an. Der einfache Lebensstil, der Respekt und die Dankbarkeit. War das der Ort, an dem ich mich wirklich zuhause fühlte?
Das Studium
Natürlich war ich auch nach Indonesien gekommen, um zu studieren. Inmitten der kulturellen Unterschiede und der ungewohnten Umgebung musste ich mich auch akademisch zurechtfinden. Die Anforderungen waren zwar nicht so hoch wie in Deutschland, aber sie fühlten sich anders an. Der Umgang mit den Dozenten war viel persönlicher, die Interaktionen unter den Kommilitonen viel offener und freundlicher obwohl wir von überall herkamen. Der Austausch von Wissen war daher auch teilweise viel spannender als zuhause. Man bekam Einblicke in die verschiedensten Kulturen, Denkweisen und Meinungen und hat über Indonesien hinaus so viel mehr gelernt.
Am Ende meines Auslandssemesters war ich mit vielen Fragen konfrontiert. Konnte ich mir vorstellen, hier zu bleiben? Könnte das mein neues Zuhause werden? Diese Frage stellte ich mir bis heute immer wieder. In Indonesien hatte ich viel über Respekt, Dankbarkeit und das Leben im Moment gelernt. Und doch trotz der schönen Erlebnisse und der warmen Begegnungen musste ich schließlich nach Hause zurückkehren. Aber die Fragen blieben.
Wie würde mein Alltag in Indonesien aussehen, wenn ich mich entscheiden würde, länger zu bleiben? Was müsste ich aufgeben? Oder was wäre ich bereit, zu opfern? Würde ich den Luxus und die Bequemlichkeit des deutschen Lebensstandards gegen ein Leben in Indonesiens eintauschen wollen?
Mit diesen Gedanken sitze ich heute hier und schreibe diesen Blogbeitrag. Oder sollte ich vielleicht besser schon im Flieger sitzen?
Denn wenn ich eines gelernt habe dann, dass Indonesien mir ein Stück weit den Blick auf das Leben verändert hat. Vielleicht passiert genau das auch auf deinem Abenteuer und du könntest selbst erfahren, was es heißt, den Moment wirklich zu leben.
Bild & Text Credit: Finn Richter