Bild: Tempel Kambodscha

Zwischen zwei Welten

Selina Lang2023, Erlebnis Leave a Comment

Zwischen zwei Welten

Von Singapur nach Kambodscha

Bild: Hochhäuser im Zentrum von Singapur
von Selina Lang, 
27. Januar 2023

Auf ins Unbekannte...

Ein Flugzeug ist schon eine tolle Erfindung. Fix reingesetzt und schwups … ist man, innerhalb von ein paar Stunden, am Ziel angekommen. Dass man sich damit aber nicht nur in ein anderes Land, sondern auch in eine komplett andere Kultur befördert, bekommt man spätestens bei der Ankunft zu spüren. Gefahr und Sicherheit. Arm und Reich. Vorurteil und Wahrheit. Genau mit diesen Themen musste ich mich auseinandersetzen.

Mein Auslandssemester führte mich in die Stadt des Löwen, nach Singapur. Warum möchtet ihr wissen? Fortschritt, eine Vielfalt der asiatischen Kultur und vor allem Sicherheit. Mit meinen kurzen Beinen kann ich immerhin nicht vor jedem Verbrecher flüchten. Dauerhaft wollte ich aber nicht in dieser Wohlfühlzone bleiben, die Welt ist immerhin kein behüteter Spielplatz.

Im Kontrast zu Singapur, aber auch Deutschland, steht Kambodscha, eines der ärmsten Länder der Welt. 5 Tage verbrachte ich während eines Kurztrips dort und wurde emotional stark auf die Probe gestellt. Die Erfahrungen, die ich in beiden Ländern gesammelt habe und was ich daraus lernen konnte, möchte ich nun in meinen kleinen Geschichten mit euch teilen.

 

 

Singapur

Die Ankunft

Der Beginn meiner Reise nach Singapur hätte chaotischer nicht sein können. Ein Unwetter und ein unübersichtlicher Flughafen ließen uns daran zweifeln, ob wir überhaupt losfliegen können. Fast schon undurchschaubare Wegbeschreibungen sorgten dafür, dass wir uns wie in einem Labyrinth durch den Frankfurter Flughafen kämpften. Volle Mülleimer, gelangweilte Mitarbeiter und finster drein blickende Menschenmassen. Typisch Deutschland.

12 Stunden später. Ein riesiger Wasserfall rauschte von der Glasdecke. Eine Vielfalt an Pflanzen, wohin das Auge schaut. Bunte Restaurants und Shops. Es war so sauber, dass man hätte vom Boden essen können. Dazwischen freundliches und hilfsbereites Personal, die uns anlächelten. All das in einem Flughafen. Der Changi-Airport war das Erste, was uns in Singapur begrüßte. Verschwitzt, übermüdet und mit Kilo schwerem Gepäck standen wir nun da und hatten unseren ersten Kulturschock. Den Flughafen in Frankfurt kann man wohl kaum mit diesem Highlight vergleichen. Alles war ausgeschildert und man hat sich ausgezeichnet zurechtgefunden.  

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Deutschland kam mir auf einmal so fremd und leblos vor. Als wir aus dem klimatisierten Reise- und Konsumparadies nach draußen treten, treffen uns die 80 % Luftfeuchtigkeit bei 29 Grad wie eine Keule. Man müsste meinen, nach 4 Monaten gewöhnt man sich an das Wetter. Da kann ich nur sagen: Nein!

Click me!

    Ein sicheres Auge

    22:10 Uhr. Der Mond und die Laternen erhellen die Nacht. Außer mir und einigen Sportlern im Park ist kaum eine Menschenseele zu sehen. Mein Spaziergang entlang des Strandes und der grünen Parkanlage, die einem halben Dschungel ähnelt, lässt mich zur Ruhe kommen. Eigentlich habe ich Abends Angst allein herauszugehen, doch die Sicherheit, die dieses Land ausstrahlt, ist erstaunlich. Ich wurde weder von schmierigen Fremden angesprochen, noch belästigt. Seine Sachen konnte man unbeobachtet stehen lassen und wenn man zurückkam, war alles noch da. Es war ungewohnt, aber die Singapurer versicherten uns immer wieder, dass nichts geklaut werden würde. Und sie behielten recht. Die Strafen können bei den kleinsten Vergehen schon so hoch sein, dass sich das überhaupt niemand traut.

    Überall sind Augen. Jeder Schritt wird überwacht. Ich werde nie unbeobachtet sein. Das glaubte ich vor meiner Ankunft. Jetzt sehe ich das anders. Ich freue mich eher über die kleinen Kameras, die versteckt an den Laternen angebracht wurden. Sie hatten etwas Beschützendes und nichts Kontrollierendes. Mir wird aber auch bewusst, dass dies in Deutschland nicht möglich sein wird, obwohl ich es mir insgeheim wünschen würde. Denn ich habe mich noch nie so sicher gefühlt.


    Zwischen den Hochhäusern

    Wie eine Ameise läuft man zwischen den Hochhäusern entlang. Mit Staunen blickte ich auf diese architektonischen Meisterwerke. Überall sieht man die grüne Pracht von Palmen und Blumen. Sie ragen aus den Gebäuden, dass es fast schon surreal wirkt. Inmitten der Menschenmassen fühlte ich mich plötzlich so unbedeutend und klein. Ob ich irgendwann einmal im obersten Stock eines solchen `Skyscrapers´ sitzen könnte? Ist man dann vielleicht nicht mehr so unbedeutend? Gedanken kreisen schnell in diesem Land und meine Tagträume finden hier ausreichend Quellen. Alles ist sauber, modern und auf dem höchsten technischen Stand. Es macht das Land atemberaubend, aber für eine Studentin auch unfassbar teuer.

    Alkohol, Miete und Pflegeprodukte waren, zu unserem Schock, tatsächlich preisintensiver als erwartet. Die Kosten haben aber einen Grund. Die Steuern auf Alkohol beispielsweise wurden vom Staat stark erhöht, damit das Volk gesund bleibt. 8 € für eine kleine Dose Bier würde bei uns in Deutschland wahrscheinlich für Aufstände sorgen! Man hat sich also dreimal überlegt, was man sich leisten will und kann.


    Kambodscha

    Unter der heißen Sonne

    Mein Reisebuddy und ich steigen aus dem Flugzeug in Kambodscha und uns trifft der Schlag. „Sch***e, ist das heiß!“. Die Sonnenstrahlen prasseln vom wolkenlosen Himmel auf unsere Haut und es fühlt sich so an als würde sie brennen. „Du hast doch den Regenschirm, los, hol raus!“. Der Schirm gehört seid Singapur zu unserer Standardausrüstung, nur dass er da größtenteils für den starken Regen gedacht ist. Hier liegt kein bisschen Feuchtigkeit in der Luft. Es ist anders als in Singapur oder Deutschland. Fremdes Land und ungewohnte Temperaturen. Ich fühle eine gewisse Vorfreude und Spannung auf das, was kommt. Wir laufen schwitzend aus dem kleinen Flughafen und steigen in ein Tuk Tuk. Das ist das geilste Gefühl überhaupt! Die frische Brise, der Wind im Haar und eine entspannte Fahrt. „Genau so und nicht anders!“.

    Der gefährliche Unbekannte

    Es ist Abends. Wir bummeln über den Markt in Siem Reap. Von jeder Seite werden wir angesprochen. „Young ladys, you want Tuk Tuk?“. “You need massage?”. “We have the best food, take a seat!”. Den Überblick zu behalten, wird immer schwerer. Plötzlich fällt mir etwas auf. Diesen Mann sehe ich doch jetzt schon zum sechsten Mal. Ich beginne, ihn zu beobachten. Sein Verhalten beunruhigt mich und ich fange an zu begreifen. Er verfolgt uns! Meine Reisebegleiterin hat davon noch nichts mitbekommen. Ich signalisiere ihr unauffällig, dass wir hier wegmüssen. Aber was tun? Nach Hause? Nein, dann weiß er ja, wo wir wohnen. Hier bleiben? Niemals!

    Wir laufen so schnell es geht durch die Massen und versuchen ihn loszuwerden. Überall erklingt Musik und die neonfarbenen Lichter ziehen an uns vorbei. So viele Gedanken schießen mir durch den Kopf. Ich vermisse die Polizisten, die Streife laufen und die zu jeder Zeit eingreifen, wenn Gefahr lauert. Aber jetzt sind wir auf uns allein gestellt. Wir flüchten in ein Souvenirgeschäft und verstecken uns hinter den Regalen. Er läuft an uns vorbei. Seine Blicke suchend. Suchend nach uns. Auf einmal ist er spurlos verschwunden. Wahrscheinlich hat ihn der vorbeilaufende Polizist abgeschreckt. Erleichterung und Freude breiten sich in mir aus. Ich habe gehört, dass man sich nur in der Hauptstadt in Acht nehmen muss. Da hat unser Glück wohl versagt, denn ich habe mich noch nie im Leben so unsicher gefühlt, wie jetzt.


    Das Fischerdorf

    „Had the borders remained closed, I would have died.” Dieser Satz lässt mich kurz erstarren. Unser Reiseführer, der uns durch das arme Fischerdorf begleitet, erzählt uns seine Geschichte. Wie Corona den Tourismus eingeschränkte. Die Menschen keine Arbeit mehr hatten. Wie man für Essen fast schon kämpfen musste. Ich verfolge jedes seiner Worte, bin beeindruckt, aber auch beschämt. Schon oft habe ich mich über die komischen Regeln in Deutschland aufgeregt, über so viele Kleinigkeiten beschwert. Dass es andere Länder noch härter traf, kam mir nicht in den Sinn. Wir laufen weiter durch das Dorf, bis wir am Fluss in das Boot einsteigen und auf den großen See schippern. Meine Gedanken kreisen. Kambodscha ist arm, das wusste ich, bevor ich herkam. Aber dass es weitere Armutsgrenzen im Land gibt, war mir fremd.

    Mein Blick fällt auf den Mann, der unser Boot steuert. Seine Augen erzählen mehr als tausend Worte und ich frage mich, welche Geschichten sie wohl verbergen.

    Und was nun?

    Was habe ich jetzt aus meinen Reisen gelernt? Erst selbst erleben und dann urteilen. Informationen im Internet, aus Büchern oder durch Hörensagen zu sammeln ist gut und schön, aber am Ende kommt es immer anders als erwartet.

    Mit den größten Vorurteilen und Stereotypen bin ich tatsächlich in Singapur angekommen, obwohl ich über dieses Land bestens informiert war. Zu Beginn habe ich mich an jede kleinste Regel gehalten, weil ich dachte, ich lande sofort im Gefängnis. Nach 2 Monaten Aufenthalt und Kontakt mit den Singapurern, hat man sich doch mal bei Rot über die Ampel getraut. Der Trick, laut den Singapurern, ist es nicht erwischt zu werden! Als Frau würde ich mir tatsächlich eine Anpassung unseres Strafsystems wünschen, aber keine komplette Übernahme der strikten Regeln von Singapur. Ein paar mehr Kameras an gefährlichen Orten und höhere Strafen bei Gewaltverbrechen, gäbe mir schon ein größeres Sicherheitsgefühl. Ich sehne mich nach dem Moment, bei dem ich abends nicht mehr permanent über meine Schultern schauen muss. Singapur hat es möglich gemacht, Deutschland leider noch nicht.

    In Kambodscha dominierte das Fremdheitsgefühl. Das bedürftige Land, in dem die Menschen jeden Tag ums Überleben kämpfen, war mit meinem Dasein überhaupt nicht vergleichbar. Auch wenn man sich gelegentlich über die Heimat beschwert, lebt eine kleine Studentin, wie ich, sehr privilegiert.

    Meine Reisen haben mir verschiedene Perspektiven eröffnet. Man sollte das schätzen, was man hat, aber sich auch nicht immer, aus Bequemlichkeit, mit allem zufriedengeben. Es gibt so viel, was wir in Deutschland lernen können, um uns weiterzuentwickeln und das sollte jeder so gut unterstützen, wie er kann.

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