Illustrierter balinesischer Geist.

Wo Geister und Menschen zusammen leben

Alina Henning2023, Culture Clash 1 Comments

Wo Geister und Menschen zusammen leben

oder wie ich in Bali vielleicht meine Spiritualität entdeckte
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von Alina Henning
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7. Februar 2023
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Manche Menschen glauben, dass Geister oder die Geister der Verstorbenen existieren und mit den Lebenden interagieren können. Es gibt jedoch keine wissenschaftlichen Beweise für die Existenz von Geistern und darauf stützt sich all mein Wissen. Ohne Beweis keine Existenz. Verschiedene Kulturen und Gesellschaften haben ihre eigenen Überzeugungen und Traditionen bezüglich Geister. Es ist letztendlich aber auch eine Frage des persönlichen Glaubens: Glaubst du an ihre Existenz oder nicht?

Auf Bali, einer mehrheitlich von Hindus bewohnten Insel in Indonesien, gibt es verschiedene Überzeugungen und Traditionen in Bezug auf Geister und Gespenster. Manche Menschen glauben an die Existenz von Geistern auf Bali, andere wiederum nicht. Ich habe eine Gruppe getroffen, in der alle an Geister glauben.

Wir sitzen zusammen in einem Café, reden über unser Leben, lernen uns kennen. Aus dem Nichts werde ich, die einzige, die neu ist auf Bali, von den Indonesierinnen gefragt:
Glaubst du an Geister, Alina?

Ich lache, und verneine. An ihren Gesichtern sehe ich, dass es sich anders als erwartet nicht um einen Scherz handelt, sondern eine ernstgemeinte Frage war. Sofort scheint mir meine direkte Antwort abwertend und unhöflich. Aber die Anderen nehmen es mir nicht übel, sie schieben es auf meine Herkunft. Vorsichtig frage ich, ob sie denn an Geister glauben und die Antwort sind überrascht schmunzelnde Blicke und die einstimmige Antwort: ja. Sie fangen an miteinander über ihre Erlebnisse und Erfahrungen mit Geistern zu reden. Gespannt höre ich zu. Es fühlt sich an, als wäre ich in einem Paralleluniversum gelandet. Wie kann es sein, dass sie alle etwas erlebten, was für mich komplett realitätsfern ist? Ich versuche mich auf diese neue Wirklichkeit einzulassen, stelle Fragen und sauge ihre Antworten förmlich auf.

Ihre Geschichten faszinieren mich, aber eine Frage treibt mich um: Warum kann ich diese Geister nicht sehen, wenn sie doch anscheinend da sind und alle anderen von gleichen Erlebnissen berichteten?

Mein drittes Auge ist (noch) nicht geöffnet. Plausibel. Immerhin wusste ich nicht mal, dass ich ein drittes Auge hatte. Nur ein Mädchen mit uns am Tisch hat ihr drittes Auge auch nicht geöffnet. Sie erzählt mir, dass sie auch eigentlich ganz froh ist und nicht plant es in Zukunft zu öffnen, weil sie diese ganzen Geister als anstrengend empfindet. Ihr Mann könne aber Geister sehen und darum wisse sie, dass mit ihnen noch eine Mutter mit ihrem jungen Sohn zuhause leben würde. Einmal wachte sie morgens auf und ihr Mann beschrieb, wie der kleine Junge auf ihrem Nachtschrank spielen würde.
Um mein drittes Auge zu öffnen, könnte ich meditieren, Yoga machen und ähnliches. Dafür schien Bali definitiv der richtige Ort zu sein, lachte ich. Die anderen erklärten mir, dass das kein Zufall sei, sondern auf Bali die Energie am stärksten wäre. Besonders im kleinen Ort Ubud, welcher spätestens durch Eat Pray Love die meditierenden Yogis aus aller Welt anlockte. Immerhin wird Bali nicht umsonst auch als das Energiezentrum der Welt bezeichnet.

Zum Schluss gaben sie mir noch den Tipp mit, wenn ich alleine mit meinem Scooter unterwegs bin, immer die Fußraste eingeklappt zu haben, da sonst Geister ungefragt mitfahren könnten. Und da man nie weiß, ob sie gut oder böse sind bzw. gute oder schlechte Absichten haben, sollte diese Vorsichtsmaßnahme getroffen werden.

Ich möchte es glauben. Ich möchte so offen sein und mir das vorstellen können. Ich möchte nicht diese starr denkende aus dem Westen sein. Eine Seite meines Kopfes möchte sich öffnen, möchte an das für mich so unrealistische glauben, was für alle hier so normal zu sein scheint, aber die andere Seite meines Kopfes hat dieses wissenschaftliche Denken, alles-muss-bewiesen-sein-Denken so stark verinnerlicht, dass ich hin und her gerissen bin.

Illustrierte Animation eines Scooters bei dem sich die Fußklappe ausklappt und anschließend ein Geist erscheint.

Es wird erzählt, dass an Nyepi, dem balinesischen Neujahr, welches sich nach dem Mondkalender richtet, böse Geister über die Insel ziehen. Für den ganzen Tag gilt deswegen eine Ausgangssperre für alle Menschen auf der Insel. Zudem dürfen keine Feuer gemacht oder das Licht angemacht werden, damit die Geister getäuscht werden und denken, die Insel wäre unbewohnt und verlassen. Der Tag gilt als Tag der Stille, da auch jegliche Unterhaltungsmedien eigentlich ausbleiben sollen und manche Balinesen den ganzen Tag nicht sprechen. Es ist ein Tag der Ruhe und Reflexion, an dem alle Aktivitäten auf der Insel zum Stillstand kommen. Der Tag steht für den Neuanfang und die Reinheit. Ein Tag der Einkehr, der Meditation, der inneren spirituellen Reinigung und des Fastens. Keine Lichter, die die Sicht auf den Sternenhimmel überdecken, ein Tag der dazu einlädt die Sterne zu beobachten und sicher zu sein, dass es Sternschnuppen sind, da Flugzeuge auch nicht verkehren.

Ob ich nun an Geister glaube oder nicht, habe ich von da an immer allen meinen Freunden geraten, die Fußraste des Scooters hochzuklappen.

© Alina Henning

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