Aussicht auf Guanajuato

la paso en falso – Mexikos Fettnäpfchen

Konstantin ScheicherErlebnis, 2023, Begegnungen, Culture Clash, Länder & Sitten 1 Comments

La paso en falso -
Mexikanische Fettnäpfchen

Image
von Konstantin Scheicher
31. Januar 2023

"Du solltest, musst Du Lehrgeld zahlen,
nicht knirschend mit den Zähnen mahlen:
Es ist doch auf dieser Welt,
dass am besten angelegte Geld."

Karl-Heinz Söhler

Erst Wochen nach meiner Ankunft...

... bemerkte ich, wie ich bereits am Flughafen von Monterrey erstmalig in die Falle getappt bin. Wer per Flugzeug nach Monterrey reist, dem steht eine Dreiviertelstunde Autofahrt in die Stadt bevor. Die unzähligen Taxifahrer vor dem Terminal warteten nur darauf, sich auf die unwissenden Touristen zu stürzen. Wäre ich besser vorbereitet gewesen, hätte ich mich darauf nicht eingelassen. Ich hätte zu Fuß das Flughafengelände verlassen und mir an nächstlegender Tankstelle ein günstiges UBER gerufen. Doch ich war nicht vorbereitet, weshalb ich dem Fahrer glücklich ein vielfaches des eigentlichen Fahrpreises zahlte.

Ein sEMESTER IN mEXIKO

Im Rahmen meines Auslandssemesters habe ich eine Menge Erfahrung mit dem Thema Fremdheit  gemacht; und auch an mir persönlich erfahren.

Mexiko ist ein Land, welches bei Deutschen direkt Unbehagen hervorbringt. Drogenkrieg, Slums, Korruption, Ausnutzung unwissender Touristen – Themen die in den Medien präsentiert bzw. im kollektiven Gedächtnis verankert sind. Wer nach Mexiko reist, dem wird Sicherheit und gute Heimkehr gewünscht. Man kann sich eigentlich nicht auf die Situationen vorbereiten, die später als Fauxpas, Fettnäpfchen oder gar als Lebensbedrohlich betitelt werden können. Und dennoch passieren diese, sogar oft – und meist merkt man es erst hinterher.

La paso en falso ...

 

... oder auch umgangssprachlich: "das Fettnäpfchen". Ich möchte diesen Blog nutzen, um Leser auf die Existenz dieser hinzuweisen. Jedoch nicht im klassischen Sinne eines Reiseführers. Um die Schönheit des Landes aufzeigen, stelle ich ein paar Höhepunkte meines Auslandssemesters präsentieren. Dabei werde ich verschiedene Geschichten erzählen, die bestens zu obigem Zitat passen. 

Nebenstehend finden Sie eine Auswahl meiner Lieblingsbilder.

VW Käfer - ein kulturelles mexikanisches Gut.
Blick über TEC Campus und Serro de la Silla im Hintergrund.
Blick über Monterrey und Autor in Jogginghosen.
Avocados en masse!
Tacos Tacos Tacos.

    Monterrey

    Tecnológico

    Insgesamt verbrachte ich fünf Monate in einer der größten Städte Mexikos. Die hiesige Universität, das Tecnológico de Monterrey, ist mit über 90.000 Studenten nicht nur die größte Universität des Landes, sondern auch eine der berühmtesten von ganz Lateinamerika. Die TEC hat als Privatuniversität eine Menge Geld, was sich in einem immergrünen Campus widerspiegelt. Nicht nur lebten verschiedene Tierarten auf dem Gelände, es gab auch unzählige Möglichkeiten der Versorgung, Fahrräder, Schwimmhallen und Eventplätze. Der Campus war definitv sehr beeindruckend! Ich belegte drei Kurse, die zu Anfang noch online, später dann in Präsenz stattfanden.

    Um das Land voll und ganz zu entdecken, verreiste ich einmal im Monat für ca. 7 Tage. Inlandsflüge sind in Mexiko sehr günstig und auch die Busverbindungen funktionieren wunderbar. Ich erkundete verschiedene Regionen, mal mit Freunden von vor Ort, mal mit meiner Freundin aus Deutschland, aber auch ganz für mich allein.

    Wohnen in Monterrey

    Ich bin nicht allein nach Mexiko gereist. Mit von der Partie meine Kommilitonen aus Mittweida, Fabienne und Erik, die sich ebenfalls für das TEC entschieden hatten. Fabienne hatte sich bereits von Deutschland aus um eine Wohnung gekümmert. Glücklicherweise waren noch Zimmer frei, so dass wir schließlich alle im selben Gebäude unterkommen konnten. Zwar etwas teuer, dafür in unmittelbarer Campusnähe (Pluspunkt: Sicherheit), mit Einkaufsmöglichkeiten und Freizeitangeboten direkt vor Ort. Der riesige, schattige Balkon lud zum verweilen ein und auch die Dachterrasse konnten wir nutzen. Leider nutzten die Vermieter unsere Unwissenheit aus. Der Mietvertrag (in Spanisch) war gespickt mit Fußnoten, welche uns später teuer zu stehen kamen. Mein Appell: 

    Niemals einen Vertrag unterschreiben, den man nicht versteht. Und ja nicht abreisen, bevor nicht alles geklärt ist! 

    Unsere Apartments

    Westblick am Abend

    Cuarenta Cervecas por favor!

    Für die ersten Wochen in Monterrey stand noch kein Unterricht an. Wir nutzten die Zeit, um uns mit den anderen Internationals zu verknüpfen. Dafür organisierte die Uni verschiedene Kennlerntreffen und Campustouren, Ausflüge und Partyabende.

    Einen Abend entschieden wir uns, in eine bekannte Neon-Bar zu gehen. Mit dabei mein Kumpel Erik, dazu ein paar Studierende aus Finnland, Spanien und Frankreich. Wir waren eine bunte Truppe, die wohl einen interessanten Eindruck auf die feiernde Menge gemacht hat. Mich überkam ein überschwemmendes Gefühl.

    Absolute Aufmerksamkeit, alle Augen auf uns gerichtet.

    Ich habe festgestellt, dass es absolut kein Problem ist, beim Feiern in Mexiko Kontakte zu knüpfen. Die Einheimischen können meist Englisch, sind weltoffen und herzlich. Mit einem kühlen Cerveza (Tecate – 0,3l Flaschen) und guter Musik läuteten wir den Abend ein. Die Stimmung war blendend. Immer wieder unterhielt ich mich mit anderen Gästen, so gut es aufgrund der Lautstärke ging. Wir tanzten und genossen den Abend. Nach und nach machten sich die ersten von unserer Gruppe auf den Heimweg.

    Feierlaune!

    Doch mein Kumpel und ich wollten noch bleiben, und bestellten jeweils zwei Bier. Ich weiß bis heute nicht, was bei dieser Bestellung schiefgegangen ist. Wenige Momente später erschien der Kellner an unserem Tisch, um zwei große Eimer mit Eis abzustellen. In jedem befanden sich zwanzig geöffnete Flaschen Bier.

    Der Rest des Abends verschwimmt in meiner Erinnerung.


    Ob der Kellner unsere Situation ausgenutzt hat? Zum Zeitpunkt der Bestellung waren wir schon etwas beschwipst, was die Sprachbarriere nicht gerade senkte. Eventuell war ein Zahlendreher schuld (cuatro - 4 vs. cuarenta – 40). Doch es half nichts, einmal bestellt hieß kein zurück. Es war dennoch ein schöner Abend, wir teilten die Getränke mit den restlichen Anwesenden, zahlten die teure Rechnung und kamen schließlich gut zuhause an.

    Die Moral von der Geschichte ist, dass man in Bars, in denen man als offensichtlich unerfahrener Gast feiert, immer darauf achten sollte, was man bestellt. Die Chance in ein Fettnäpfchen ist treten ist groß, fast unausweichbar.  

    *Doch nicht verzagen! Ich war noch mehrere Male in dieser Bar und hatte keine Probleme mehr. Aus Fehlern lernt man und wenigstens wussten wir nun wo es Bier-Eimer gibt.

    Heute Nicht!

    Leider verlief nicht jeder Partyabend wie geplant. Während im Zentrum von Monterrey immer eine entspannte, offene Atmosphäre für gute Laune sorgte, musste man sich für Feiern im Stadtteil San Pedro besser vorbereiten. San Pedro ist einer der reichsten und deshalb auch sichersten Orte Lateinamerikas. Durch eine kleine Bergkette vom Rest der Stadt abgegrenzt, fanden sich hier die größten Wolkenkratzer, die besten Geschäfte und Hotels sowie die renommiertesten Clubs. Dort traf sich abends die Elite der Stadt, mit schicken Sportwagen und heißen Outfits machten sie die Nacht zum Tag. Ich war ein paar Mal zum Feiern da, dennoch nie richtig überzeugt. Zum einen aufgrund der überteuerten Getränke, zum anderen weil dies der einzige Ort war, wo ich durchaus auch abwertende Blicke erhielt. Eines Abends im späteren Verlauf meines Semester waren wir, gemeinsam mit ein paar befreundeten Einheimischen (Pluspunkt: Gästeliste), wieder mal vor Ort. Voller Motivation liefen wir über den roten Teppich zu einem der vielen Türsteher. Doch dieser verweigerte uns, nach Absprache mit seinen Kollegen, den Einlass. Wir sollten uns anstellen und warten, da erst noch „wichtigere Gäste“ kommen sollten, und der Club schon gut gefüllt war. Unsere Namen auf der Gästeliste waren genauso sinnlos, wir unsere herausgeputzten Klamotten. Ständig fuhren Porsche und Mercedes vor, die ankommende Gäste grüßten die Türsteher per Handschlag. Es war ein unangenehmes Gefühl der Fremdheit, des nicht-dazugehören. Irgendwie passten wir nicht in das Bild der Türsteher, die mit Vorurteilen behaftet auf uns herabschauten. Schließlich gaben wir nach. Ein Teil unserer Gruppe machte sich auf den Weg ins Zentrum der Stadt, der andere Part, inklusive mir, begab sich auf den Heimweg. Wir ließen den Abend auf der Terrasse ausklingen.

    Die Moral von der Geschichte ist, dass man in Mexiko trotz aller Vorzüge als Europäer, hin und wieder herabgewürdigt wird. Davon darf man sich nicht unterkriegen lassen, man sollte weltoffenere Menschen und Schauplätze suchen.

      Puerto Vallarta 1

      Zu den deutschen Osterferien entschied sich meine Freundin, über den Teich zu fliegen und mich zu besuchen. Gesagt – getan. Wir trafen uns in Mexiko-Stadt und verbrachten ein paar herrliche Tage in der Metropole. Natürlich wollte ich ihr möglichst viel vom Land zeigen, weshalb wir anschließend nach Monterrey reisten und eine kostengünstige Woche in meinem Apartment verbrachten. Dann, zum Abschluss ihres Besuchs, flogen wir mit einem befreundeten Paar an die mexikanische Westküste. Puerto Vallarta, bekannt für wunderschöne Strände, Wassersport und reges Nachtleben. Ein traumhafter Fleck auf dieser Erde. Von unserem AirBnB im Zentrum der Stadt, brauchte es nur wenige Minuten Fußmarsch, um zu dem Platz zu kommen, von welchem verschiedene Busse ins Umland fuhren. Um für den Tag gewappnet zu sein, hob ich an einem Geldautomaten Bares ab. Ich hatte gelernt, schnell und unauffällig steckte ich das Geld ein und verschwand, bevor wir zu einem Tagesausflug entlang der Küste aufbrachen.
      Sonnenuntergang am Strand,, mit Palme im Vordergrund.
      Sonnenuntergang in Puerto Vallarta vom Dach des AirBnB aus.
        Blick ins Tal, Rauchschwaden in den Bergen.
        Fisch am Spieß, über glühendem Sand gegart.

          Puerto Vallarta 2

          Nach etwa 60min Fahrt erreichten wir ein kleines Fischerdorf. Es roch nach gebratenem Fisch und Benzin. Schließlich charterten wir uns ein Wassertaxi zu einem (berühmten) abgelegenen Strand. Auf die Frage nach unserer Abholung antwortete der Skipper "zum Sonnenuntergang, gleicher Ort". Blauäugig stimmten wir zu und stiegen ein.

          Es war ein sehr schöner Strandtag. Ein kleines Restaurant überzeugte uns mit seinen Angeboten, doch beim bezahlen stellte ich verwundert fest, dass meine EC-Karte nicht am gewohnten Platz steckte. Da war nun das Fettnäpfchen. Sicherlich steckte sie noch im Geldautomat. Doch vor Sonnenuntergang würden wir nicht zurückkommen. Würden wir überhaupt zurückkommen? Unser Schicksal lag in den Händen des Skippers, keine Telefonnummer, kein Name. Die Sonne senkte sich. Ich war kurz vor der Panik, als das Boot am Horizont auftauchte. Schlussendlich sind wir wieder gut angekommen, doch die EC-Karte blieb verschwunden.

          Die Moral von der Geschichte ist, dass man sich nicht auf einen unbekannten Menschen mit einem Boot verlassen sollte. Außerdem funktionieren Geldautomaten in Mexiko andersherum. Erst das Geld und dann die Karte. Also - Hektik bringt Sorgen und eine verlorene Karte

          Draußen im  Grünen 1

          Im Norden von Mexiko finden sich wunderschöne Berge und Nationalparks. Früh per Uber in die Natur fahren, den Tag mit Wandern verbringen und Eichhörnchen zählen - herrlich. Doch  man sollte sich vor gewissen Dingen in Acht nehmen. Oder besser, vor gewissen Tieren. Denn besonders der Weißrüssel-Nasenbär, ein putziger aber auch frecher Genosse, treibt sich in den mexikanischen Bergen rum. Mit etwas Glück und ruhigem Verhalten, kommt man eventuell in die Gelegenheit ein zutrauliches Exemplar zu streicheln. Doch wehe man hat etwas Essbares dabei. Das Rascheln mit einer Tüte Keksen reicht aus, um die Tiere anzulocken. Sie kommen selten allein und machen auch vor geschlossenen Rucksäcken keinen Halt. Deswegen hatte ich auf Wanderung immer ein paar Nüsse dabei. Diese eignen sich hervorragend, um die Tiere zu besänftigen und sie auf ihre Eigenschaften als Fotomodell hinzuweisen. 

          Ein Weißrüssel-Nasenbär in der Nahaufnahme.

            Draussen im Grünen 2

            Doch der Weißrüssel-Nasenbär ist nicht der Einzige, der einem in den mexikanischen Bergen ungemütlich werden kann. Abgesehen von Schlangen und Skorpionen, auf deren eventuelle Anwesenheit immer Acht gegeben werden sollte, sind die Mücken der größte Feind. Da hilft nicht viel, Mückenspray en masse und Augen zu und durch. Und dann sind da noch die Hunde. Diese finden weniger in den Bergen, vielmehr an den letzten Ausläufern der Bebauung. Böse bellend, die Zähne fletschend, verteidigen sie ihr Gebiet ganz im Sinne ihrer Art. Einmal passierten wir einen Hof, aus dem ein großer brauner angeschossen kam. Glücklicherweise angekettet, uns geschah nichts. Als wir auf dem Rückweg wieder an dem Hof vorbei kamen, war von der Kette nichts mehr zu sehen. Der Hund stand mit fokussiertem Blick mitten auf der Straße. Was jetzt?

            Ich habe zugegebenermaßen einen gewissen Respekt von Hunden, doch ich habe eine Möglichkeit gelernt, mit diesen umzugehen. Wann immer man sich in Gefahr sieht, gebissen zu werden, suche man sich Stein und Stock. Der Stock bewirkt einen gewissen Abstand und eignet sich zur Not als Schlag/Verteidigungswaffe. Doch der Stein ist effektiver, selbst ohne ihn direkt auf den Hund zu werfen. Meist reicht es auch, nur so zu tun, als ob (funktioniert sogar ohne Stein), und der Hund dreht ab. Bei uns hat es funktioniert und ich möchte diese Hinweise nicht vergessen.

            Schlussendlich steht nach jeder Wanderung auch wieder die Heimfahrt an. Hier möchte ich noch einen wesentlichen Tipp verlieren. Auch wenn der Hinweg, vom Apartment zum Startpunkt, hervorragend per Uber funktioniert, mag dies zum Rückweg nicht der Fall sein. Nach einer langen Wanderung kamen wir wieder an unserem Ausgangspunkt an. Doch leider – weder Internetempfang noch Telefonnetz. Wir hatten keine Möglichkeit, uns ein Taxi zu rufen, und mussten notgedrungen den Heimweg zu Fuß antreten.Ein klassisches Fettnäpfchen. Die Stimmung am Boden, ellenlanger zusätzlicher Fußmarsch. Nach gut einer Stunde erreichten wir wieder eine befahrene Straße und es gelang uns, per Anhalter in Richtung der Stadt zu trampen.

            Die Moral von der Geschichte ist, dass man in Mexiko auf jeden Fall in die Natur gehen sollte. Aber bedacht, auf Tiere und Insekten, mit genügend Wasser und Lebensmittel. Außerdem sollte auch der Rückweg geplant sein, damit der Tag auf ein entspanntes Ende abzielt.

            Vielen Dank 

            für die Aufmerksamkeit!

            Ich habe in Mexiko viel erlebt und gesehen. Besonders die Freude in den Menschen hat mich bewegt. Ich möchte mich entschieden positionieren, in dem ich dem Land Mexiko seinen unguten Ruf abspreche. Klar gibt es Situationen und Momente, die als Fettnäpfchen oder gar als lebensbedrohliche Situation eingestuft werden können. Aber die gibt es in jedem Land.

            Mit etwas Vorbereitung und gesundem Menschenverstand wird eine Mexiko-Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis.

            Alle Bilder und Medien
            Konstantin Scheicher

            Kommentare 1

            1. Tolle Bilder, aussagekräftige Texte, schlagende Argumente (Hund), nicht alle „Fettnäpfchen“ erwähnt 🙂 – ein Super-Eindruck

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