2024, Begegnungen, Culture Clash, Erlebnis

Milka in Namibia

Philipp SpörlBegegnungen, 2024, Culture Clash, Erlebnis 2 Comments

Milka in Namibia

Von der Kolonialzeit bis zu nordkoreanischen Bauwerken
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19. Januar 2024

Erstkontakt

Ich schließe die Tür des Mietautos. Staub fällt auf den frisch asphaltierten Parkplatz des SUPERSPAR Supermarkts. Nachdem wir Tage lang durch die Wüste gefahren sind, fühlt es sich fast befremdlich an, ein voll klimatisiertes Gebäude zu betreten. Wir decken uns mit den allernötigsten Lebensmitteln ein und kaufen noch zusätzlich zwei große Wasserkanister. In meinem dritten Monat in Afrika habe ich bereits gelernt, beim Einkauf von Wasser niemals zu sparen, besonders wenn man sich nicht sicher ist, wann man wieder Neues auftreiben kann. Auf meinem Weg zur Kasse fällt mein Blick auf ein Regal, welches den prominentesten Platz in der Mitte des Supermarkts einnimmt. Ich wende mich zunächst aber wieder ab, da die dort ausgestellten Produkte mir bestens bekannt und für mich wahrlich nichts Besonderes sind. Doch dann muss ich nochmal hinsehen und erst jetzt bemerke ich, warum ich meinen Blick nicht mehr von diesem Regal nehmen kann. Die Logos der Marken „Gut und günstig“, „Balea“ und „Milka“ sind einfach wiederzuerkennen. Solche Produkte zu sehen, erzeugt bei mir normalerweise keine euphorische Reaktion, doch normalerweise bin ich auch nicht in Swakopmund in Namibia.

Swakopmund ist eine faszinierende Stadt. Kaum wo sonst sind die Einflüsse der deutschen Kolonialzeit immer noch so spürbar wie hier. Straßennamen wie Bismarck Street oder Restaurants wie das Swakopmund Brauhaus erinnern daran, dass wir nicht die ersten Deutschen sind, die dieses Land betreten haben. Es würde auch nicht lange dauern, bis ich auf die ersten deutschen Einwohner Swakopmunds treffen würde, die über dreißig Prozent der 25000 Einwohner ausmachen. Gerade als wir den Kofferraum beladen haben und ich noch darüber nachdenke, wie lange eine Tafel Schokolade bei dieser Hitze wohl brauchen würde, um vollständig zu schmelzen, fährt ein alter Mercedes Benz vor. Der sonnenbrillentragende Fahrer, den ich auf Mitte sechzig schätzen würde, lässt sein Fenster herunter und fragt uns, ob wir denn deutsch seien. Wir nicken und der Mann beginnt, wie aus der Pistole geschossen, uns mit Verschwörungstheorien über die Knechtschaft Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg vollzutexten. Wir, die bereits eine endlos lange Autofahrt in den Knochen haben, entgegnen mit einem „jaja“ und steigen in den Mietwagen. Toller erster Eindruck.

Ein Museum, aber anders

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      Es ist der letzte Tag unseres Aufenthalts in Namibia. Wir beschließen unseren Trip mit einem Besuch im Unabhängigkeitsgedenkmuseum in Windhuk abzurunden. Am Eingang des Museums blicke ich auf ein Fresko an der Wand, welches mir irgendwie bekannt vorkommt. Habe ich nicht vor kurzem eine Doku gesehen, in der von einem Museum in Namibia gesprochen wurde, dass unter dubiosen Umständen von einer nordkoreanischen Firma erbaut und kurz vor der Fertigstellung verlassen wurde? Muss ein Zufall sein. Ich betrete das Gebäude und mir fallen sofort Wandmalereien auf, die an den Bürgerkrieg und Massaker während der deutschen Kolonialzeit erinnern sollen. Habe ich die nicht schon mal gesehen? Kann nicht sein. Ich gehe weiter. Die nächste Malerei. „Glory to the Heroes“ ist oben zu lesen und darunter zwei Namibier bewaffnet mit Gewehren mit einer aufgehenden Sonne im Hintergrund. Dieser offene Militarismus, diese Gewaltverherrlichung. Genau wie in diesen Reportagen über Nordkorea, die ich, sobald Neue erscheinen, wie ein Schwamm aufsauge. Kann das sein? Befinde ich mich in einem nordkoreanischen Museum? In Namibia? Das kann doch gar nicht sein. Ich erhalte die Antwort prompt. Ich biege um eine Ecke und sehe etliche Bilder des ehemaligen namibischen Präsidenten Sam Nujoma, auf welchen er mit verschiedenen Staatsführern zu sehen ist. Ein Bild sticht sofort heraus. Das Größte und Einzige, dass in Gold gerahmt ist. Darauf zu sehen? Sam Nujoma mit dem nordkoreanischen Staatsgründer und Gott, jedenfalls wenn man der Propaganda glauben mag, Kim Il Sung. Da habe ich die Antwort auf die Frage, die mich seit dem Betreten des Museums verrückt macht.

      Die nächste Sehenswürdigkeit, die wir besichtigen, lässt keinen Zweifel daran, von wem sie errichtet wurde. Wir fahren einen Hügel hinauf und nachdem wir umgerechnet 30 Cent Eintritt bezahlt haben, befinden wir uns auf dem Heroe´s Acre, einem Kriegsdenkmal. Ich öffne die Tür die Mietautos und fühle mich plötzlich in eine andere Welt katapultiert. Ein riesiges freistehendes Areal erstreckt sich vor mir. Ich meine, irgendwie in Nordkorea gelandet zu sein, doch die drückende Hitze bringt mich wieder zurück. Große Treppen führen den Hügel hinauf bis zu einer Statue des Präsidenten Sam Nujoma, der eine Handgranate sowie eine Kalaschnikow in den Händen hält. Die Statue wird von einem Obelisken überragt, welcher aus weißem Marmor gefertigt ist. Ich blicke wieder auf die Fresken an der Wand, die das namibische Volk symbolisieren sollen, das sich heroisch gegen fremde Eindringlinge zur Wehr setzt. Das ist an Ironie kaum zu überbieten, vor allem wenn man daran denkt, dass sich die Mehrheit der Bewohner gegen den Bau des Denkmals eingesetzt hat.
      Von der Spitze des Hügels blicke ich ins Tal und kann dort Windhuk in der Ferne erkennen. Ich lasse meine Reise nach Namibia hier noch einmal Revue passieren und kann selbst nicht fassen, wie sehr mich dieses Land fasziniert. Eine ehemalige deutsche Kolonie, die durch die Wirren des Kalten Krieges enge Beziehungen zu Nordkorea geknüpft hat und nebenbei, was ich in diesem Beitrag völlig vernachlässigt habe, über wunderschöne Landschaften verfügt.

      Kommentare 2

      1. Voll gut geschrieben!
        Hast du Lust meine Hausarbeit zu schreiben, würde dich auch bezahlen 😉
        PS: Ich hab dich ganz schön vermisst, während du in Afrika warst.. 🥺

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