¡Un pintxo vegetal y un Calimocho por favor!
Vorwort
Im Rahmen meines Studiums durfte ich ein Auslandssemester absolvieren. Ich entschied mich, dieses in Bilbao, Spanien zu machen. Während eines knappen halben Jahres sammelte ich viele Erfahrungen und schuf neue Erlebnisse, welche ich hier in diesem Text festhalten möchte.
Es kann los gehen…
Vor meinem Auslandsaufenthalt in Spanien beschäftigte ich mich natürlich noch einmal mit meinem zukünftigen Zuhause für 5 Monate. Dabei wollte ich mir aber noch nicht zu viel vorwegnehmen, weshalb ich nur das nötigste recherchierte, ganz nach dem Motto: Lass dich überraschen!
Spanien als Urlaubsziel besuchte ich schon oft, doch über einen so langen Zeitraum in dem Land zu leben und die Kultur und die Menschen aus der Perspektive eines Anwohners kennenzulernen ist dann doch nochmal etwas ganz anderes. Trotz einiger Aufenthalte in Spanien, besuchte ich vorher noch nie den Norden des Landes. Das Baskenland unterscheidet sich im Vergleich zu anderen Teilen Spaniens sehr. Viele Besonderheiten prägen das kulturelle Erbe der Basken. Eine davon ist, dass hier neben dem kastilischem spanisch auch traditionell baskisch gesprochen. Die Vorfreude in die Kultur einzutauchen und mir ein ganz eigenes Bild von dieser zu machen stieg also umso mehr.
Die Bittere Überraschung
Spanische Tapas, wer kennt sie nicht? Neben Kunst und Kultur, Natur und festlichen Traditionen ist Essen ebenfalls ein sehr wichtiger Bestandteil der spanischen Kultur. Das traditionelle spanische Essen ist dafür bekannt sehr Fleisch- und Fischlastig zu sein. Obwohl ich mich mittlerweile schon seit acht Jahren vegetarisch ernähre, fand ich in meinen spanischen Urlauben immer ausreichend Alternativen. Deshalb ist die spanische Küche mittlerweile eine meiner liebsten. Neben der kulturellen Bereicherung während meines Auslandssemesters, freute ich mich deshalb auch riesig darauf, die Restaurants und Bars vor Ort zu besuchen. Vor allem auf Tapas, die spanischen Kleinigkeiten, welche in Tontöpfen serviert werden, freute ich mich sehr. Doch Überraschung… Zu meinem Bedauern musste ich vor Ort feststellen, dass es im Baskenland gar keine Tapas gibt. Hier werden stattdessen Pintxos serviert. Sozusagen die baskischen Tapas. Pintxo bedeutet soviel wie Kleinigkeit und diese Kleinigkeiten werden normalerweise auf Baguette mit einem Zahnstocher serviert.
Nichts für Vegetarier*innen…
Das Spanien kein Schlaraffenland für Vegetarier*innen ist war mir natürlich bewusst, trotzdem musste ich mich erst einmal an den Anblick in den Super- und Wochenmärkten gewöhnen. Das ist mir leider bis zuletzt nicht wirklich gelungen, denn selbst in der Stadt wurden die tierischen Produkte in den Schaufenstern ausgestellt als würde es sich um ein paar Schuhe handeln.
Das Leben in Bilbao
Während meiner Zeit in Bilbao lebte ich mit fünf anderen Mitbewohner*innen in einer internationalen WG. Neben mir, der einzigen Deutschen, wohnte ich mit Spanier*innen, einer Französin und einem Amerikaner zusammen. Das Zusammenleben mit vielen verschiedenen Nationalitäten ist sehr interessant und aufregend, kann aber auch herausfordernd sein. Wie unterhält man sich, wenn nicht alle Englisch beherrschen? Eine meiner spanischen Mitbewohnerinnen sprach nur ihre Muttersprache, wobei mein Spanisch für richtige Konversationen noch nicht ausreichte. Deshalb kommunizierten wir Anfangs aus einem Mix von Zeichensprache, Bruchteilen von Englisch und Spanisch und Übersetzern. Zusammen Abendessen? Eher schwierig wenn ein Teil der WG um 19 Uhr isst und der andere Teil erst um 23 Uhr. Die Lautstärke war für mich anfangs auch ein großes Thema. Spanier*innen sind bekanntlich sehr laut in ihrer Art der Kommunikation. Mir war dies bewusst, trotzdem war die Eingewöhnung für mich eine kleine Herausforderung. Auch bei dem Thema Ernährung gingen die Meinungen auseinander. Ich war die Einzige in der Wohngemeinschaft, die auf Fleisch und Fisch verzichtete. Für sechs Personen besaßen wir zwei Kühlschränke. Diese waren meistens prall gefüllt, allerdings überwiegend mit Fleisch und Fisch. Um diese Tatsache zu ignorieren brauchte ich meine Zeit, denn von Zuhause war ich das in diesen Ausmaßen nicht gewohnt. Wie mit Allem was Neu ist, muss man sich erst einmal darauf einstellen. Doch nach der Kennenlernphase stellte das Zusammenleben kein Problem mehr dar. Wir passten uns einander an und nahmen Rücksicht.
Einkaufen für Fortgeschrittene
In den ersten Wochen ging ich meistens mit einer Kommilitonin aus Deutschland zusammen einkaufen. Da wir beide die Sprache noch nicht wirklich beherrschten, halfen wir uns gegenseitig bei den Übersetzungen und so war es keine Seltenheit, dass wir für einen kleinen Einkauf, Stunden im Laden verbrachten. Wir versuchten zwischen den vielen Regalen voller Fleischprodukte verzweifelt vegetarische Lebensmittel zu finden. Dies erwies sich als nicht ganz so einfach, denn nahezu alles war mit Fleisch zugesetzt. Wie in Deutschland gab es auch Fleischersatzprodukte, doch diese waren sehr rar und beinahe unbezahlbar. Doch nach einiger Zeit stellte der Besuch im Supermarkt oder ein gemeinsames Essen in einer Bar noch kaum ein Problem dar. In Restaurants ernährte ich mich wegen mangelnder Auswahl hauptsächlich von Patatas Bravas. Von so vielen, dass ich nach meinem Aufenthalt erstmal eine Weile keine Kartoffeln mehr sehen konnte..
Stereotypes over Stereotypes
Das Stereotyp, Spanier*innen würden viel und schon mit Beginn der Mittagszeit Alkohol trinken, kann ich nun aus eigener Erfahrung bestätigen. Daydrinking bekommt dort nochmal eine ganz andere Bedeutung. Das Leben findet draußen im Kreise der Freunde statt. Die Menschen sitzen zusammen in Bars, haben Spaß und unterhalten sich angeregt bei einem Glas Wein. Bei einem dieser Anlässe lernte ich auch mein neues spanisches Lieblingsgetränk kennen. Calimocho – Eine Mischung aus Cola und Rotwein. Klingt erst einmal sehr gewöhnungsbedürftig, schmeckt aber unfassbar gut!
Das soziale Leben dort ist einer der Gründe, warum mir das Leben in Spanien so gefallen hat.
Selbst bei schlechtem Wetter trifft man sich draußen. Ich ging täglich durch die engen Gassen der Altstadt und immer war etwas los. Die Menschen wirkten glücklicher und ausgelassener als in Deutschland.
Viele neue Erlebnisse
Während meines Auslandssemesters habe ich viel über die spanische Kultur, aber auch über mich selbst lernen können. Neben den unterschiedlichen Essgewohnheiten erfuhr ich viel über die Mentalität der Spanier*innen, das tägliche Leben, die Bildung, Religion und wie wichtig den Basken ihr kulturelles Erbe ist. Ich hatte die Möglichkeit die wunderschöne Natur und Architektur innerhalb Spaniens kennenzulernen. Während meine Freunde in Deutschland bei grauem Himmel froren, konnte ich mit den ersten Sonnenstrahlen am Meer liegen. Ich durfte viele neue Menschen aus aller Welt treffen und lernte mein Spanisch Tag für Tag zu verbessern und anzuwenden. Nach langer Zeit des Online-Studiums schrieb ich zum ersten Mal Prüfungen in Präsenz und dann auch noch in einem anderen Land!
Ich war schon immer eine neugierige und offene Person, doch meine Zeit in Spanien verdeutlichte mir noch einmal wie wichtig es ist offen für neue und unbekannte Dinge zu sein, Kompromisse eingehen zu können und geduldig zu sein.
Schlusswort
Zurück in Deutschland erlebte ich noch einmal einen Kulturschock in meiner eigenen Heimat. Alles war so anders und ungewohnt. Die Natur, die Bauweise, die Sprache und auch die Lautstärke. Gerade die Lautstärke auf den Straßen und während Unterhaltungen bereitete mir Anfangs in Spanien Probleme. Jetzt da alles wieder beim Alten war, merkte ich, mir fehlt genau das. Ich hatte mich so daran gewöhnt, dass es sich einfach falsch anfühlte bei so einer Stille im Zug zu sitzen oder durch die Straßen zu laufen. Auch die Menschen wirkten im Vergleich auf einmal so kalt und abweisend. Spanien und Deutschland unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so wirken mag. Das ist mir nun klar.