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„Jihacheol“ – Die Fahrt meines Lebens

Lena Stein2022, Culture Clash, Erlebnis, Länder & Sitten Leave a Comment

„Jihacheol“ – Die Fahrt meines Lebens

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von Lena Stein
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20. Januar 2022

MENSCHENMASSEN UND STILLE.

Wer denkt, dass diese Begriffe überhaupt nicht zusammenpassen, der war noch nie mit der südkoreanischen U-Bahn „지하철“ („Jihacheol“) unterwegs. Während meines 7-monatigen Auslandsaufenthalts in der koreanischen Hauptstadt Seoul habe ich mich nirgendwo mehr fremd gefühlt als im beliebtesten Transportmittel der 10-Millionen-Metropole. Folgt mir auf meiner Reise im koreanischen U-Bahn-Netz.

VON PURER ENTSPANNUNG...

Es ist kurz nach 8 Uhr morgens an einem warmen Sommertag in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Heute beginne ich mit meinem 12wöchigen Praktikum, deswegen mache ich mich vorbildlich extra eher auf den Weg, um nicht zu spät am ersten Arbeitstag im Büro anzukommen. Mich erwartet eine 40-minütige Fahrt mit der U-Bahn. Noch bin ich relativ entspannt und mache mir Gedanken, was mich wohl an meinem ersten Tag erwarten wird.
Aber bereits auf dem Weg zur Station merke ich, dass ziemlich viele Menschen auf der Straße unterwegs sind. Alle scheinen ebenso wie ich zur U-Bahn-Station zu laufen. Ich werde langsam ein Teil der Menschenmasse, die sich auf den Eingang zubewegt. Nach kurzer Zeit bin ich am Bahnsteig und warte auf die nächste Bahn. Innerhalb von Sekunden kommen immer mehr Menschen dazu, die ebenfalls auf die gleiche Bahn warten. Wie sollen die denn alle in den Zug passen..?

...BIS ZUR BLANKEN PANIK

Nach zwei Minuten Wartezeit kommt auch schon die Bahn. Sie ist schon vollgequetscht mit Fahrgästen, aber irgendwie steigt fast niemand aus. Dann bewegen sich auch schon alle Wartenden auf die Eingangstüren zu. Wie soll ich da denn noch reinpassen???
Aber ich habe keine Wahl, schneller als gedacht stehe ich mehr schlecht als recht in der überfüllten U-Bahn. Doch kurioserweise ist um mich herum alles still, niemand unterhält sich oder sagt nur ein einziges Wort. An jeder Station kommen immer mehr Fahrgäste dazu, es scheint wahrhaftig kein Ende zu nehmen. Von allen Seiten bin ich von unzähligen Menschen umringt. Ich fühle mich, als würde mein Körper durch den Druck der Masse zerquetscht werden. Die Mischung aus Schweiß, vergorenem Alkohol und Deodorant nimmt mir beinahe die Luft zum Atmen. Aber es gibt keinen Ausweg…

DAS WAR KNAPP!

Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt endlich meine Transferstation. Hier scheinen auch besonders viele Menschen umzusteigen, denn die U-Bahn entleert sich schlagartig durch den gewaltigen Sog von Fahrgästen, die hastig in Richtung der Ausgangstür strömen. Ich schwimme mit der Masse nach draußen und kann wieder aufatmen. Endlich Freiraum!
Nachdem ich mich nach einigen Sekunden wieder gesammelt habe, mache ich mich direkt auf den Weg zum nächsten Bahnsteig, um das letzte Stück zur Arbeit mit einer anderen U-Bahn Linie zurückzulegen. Schließlich will ich ja nicht zu spät kommen! Zum Glück stellt sich heraus, dass diese nicht überfüllt ist. Nach dieser emotionalen Achterbahn kam mir der Kaffee ganz gut gelegen, der mir im Büro angeboten wurde!

DAS KLEINE 1X1 FÜR DIE KOREANISCHE U-BAHN

So. Viele. Menschen

Besonders in der U-Bahn Linie 2 in Seoul sollte man nicht überrascht sein, wenn man während der Rush Hour fast zerquetscht wird. Da hilft nur eins: abwarten oder Augen zu und durch!
Täglich werden über 2 Millionen Fahrgäste mit dieser Linie befördert, da sie als Ringbahn einmal um die Hauptstadt fährt und dabei alle wichtigen Stationen abdeckt. Beeindruckend ist auch, dass die Linie 2 mit einer Strecke von über 60 Kilometern aktuell die längste zirkuläre U-Bahnlinie der Welt ist.

Merkwürdige Begegnungen

Zwischen all den Menschen kann es manchmal passieren, dass man von jemanden angesprochen wird. So ging es auch einer Freundin und mir. In unserem Fall war es eher eine merkwürdige Begegnung.
Ein älterer Herr kam auf uns zu und sprach uns mit einer Mischung aus Englisch und Koreanisch an. Plötzlich drückte er uns jeweils einen Flyer in die Hand. Zunächst war ich ziemlich verwirrt, bis ich das Wort „Jesus“ verstand. Wir waren tatsächlich einem Anwerber einer christlichen Sekte in die Hände gefallen! Hatte er uns jetzt direkt als neue Mitglieder rekrutiert? Zum Glück kam direkt die nächste U-Bahn, in die wir sofort einstiegen.
Täglich werden über 2 Millionen Fahrgäste mit dieser Linie befördert, da sie als Ringbahn einmal um die Hauptstadt fährt und dabei alle wichtigen Stationen abdeckt. Beeindruckend ist auch, dass die Linie 2 mit einer Strecke von über 60 Kilometern aktuell die längste zirkuläre U-Bahnlinie der Welt ist.

Strikte Regeln

Als Fahrgast muss man einige Regeln beachten, die besonders aus der deutschen Sicht ziemlich ungewöhnlich sein können. Telefonieren sollte weitestgehend vermieden werden, um andere Passagiere nicht zu stören. Wer sich zu laut unterhält, riskiert sogar eine Geldstrafe. Deswegen ist es ratsam, sich nur im Flüsterton zu unterhalten. Ich habe auf jeden Fall auch einige böse Blicke von Einheimischen kassiert, wenn ich mich zu laut mit meinen Freunden ausgetauscht habe.
Weitere Verbote umfassen den Verzehr von Alkohol, Protestieren, Tanzen und Singen sowie den Verkauf von Waren jeglicher Art. Dabei muss man ebenfalls mit einer Geldstrafe rechnen.

Technikaffinität

Ob Kleinkind oder Rentner: alle sind mit ihrem Smartphone beschäftigt. Selbst in der U-Bahn gibt es kostenloses Highspeed Internet. Dadurch kann man problemlos YouTube Videos schauen, durch Instagram scrollen oder Spiele spielen. Wer nicht gerade am Handy hängt, der nimmt sich häufig die Zeit für ein kurzes Nickerchen.
Bereits 2017 war Südkorea das Land mit der höchsten Rate an Smartphone-Besitzern. 88 Prozent der Erwachsenen besaßen damals schon ein eigenes Gerät. Heute wird die Anzahl vermutlich noch höher liegen. Die Technikaffinität beruht maßgeblich auf dem fortschrittlichen koreanischen Technologiesektor, der mit Unternehmen wie Samsung, LG & co. immer wieder mit Innovationen beeindruckt.

GUTE FAHRT!

Bei einer Reise nach Südkorea kann ich nur empfehlen, die U-Bahn zu nutzen. Garantiert entdeckt man einige Dinge, die befremdlich oder auch überraschend sind. Doch genau dadurch lernt man eine neue Kultur am besten kennen: indem man sich mit Dingen auseinandersetzt, die verschieden zur eigenen Lebenswelt sind.
Bildnachweis: Lena Stein, Brian Merrill – pixabay.com, Abdulla Binmassam – pixabay.com

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