2022, Arbeitswelt, Begegnungen, Erlebnis, Länder & Sitten

5 Dinge, die ich in Finnland gelernt habe

Gina Louise Pink2022, Arbeitswelt, Begegnungen, Erlebnis, Länder & Sitten Leave a Comment

5 Dinge, die ich in Finnland gelernt habe

Image
,
31. Januar 2022

Moi Minä olen Gina ! opiskelen suomenlinna!

Finnlands Kaffeekultur

Als Studierende gehört Koffein zum Leben genauso dazu, wie Vorlesungen und Prokrastination. Es gehört quasi zum Gesamtpaket und meine liebste Koffein-Variation ist neben Mate vor allem eine schöne, heiße Tasse Kaffee. Vor meinem Semester im Ausland wusste ich noch nichts vom “Coffee Hype” in Finnland. Erst als ich die ersten Präsent-Vorlesungen an der Turku University of Applied Sciences besuchte, bemerkte ich, wie der Konsum von Kaffee nicht aus dem alltäglichen Leben der Finnen wegzudenken schien. Fun Fact: Laut Statistika beträgt der pro-Kopf-Konsum 12g Rohkaffee. Finnen trinken doppelt so viel wie wir Deutschen. Es trägt sogar den Titel, als Land mit dem höchsten Kaffeekonsum weltweit (coffee perfect GmbH).
Und wie hat sich das auf dem Campus gezeigt? Erstmal sind überall Kaffeeautomaten, wo ich ganz leicht mit Karte zahlen kann. In der Mensa wird Kaffee inklusive als Nachtisch gezählt. Kaffeepausen von 15 min. sind inmitten der Vorlesungen gang und gäbe. So kommt es, dass ich mir mit meinem Professor einen Coffee to-Go schnappe und zusätzlich über das Modul mich unbeschwert austauschen kann. Was ich am meisten genoss, war die skandinavische Kaffeekette “Espresso House”(siehe Bild). Wie Starbucks…nur besser. Dort konnte ich mich für eine Flat anmelden und jeden Tag einen “Iced Macchiato” mit Rabatt genießen. Außerdem bot sich dort neben dem Campus ein angenehmer Ort zum Lernen. Wenn ich mich mit finnischen Studenten getroffen habe, dann immer “auf einen Kaffee” aus dem schnell mal zwei, drei Tassen wurden während wir Projekte bearbeiteten.
Image
Image

Bekanntschaften knüpfen mit Finnen sind tricky

Im 3. Semester haben wir ein kulturspezifisches Modul, welches sich in meinem Fall um Skandinavien handelte. Dort lernten wir bereits wichtige und interessante über die Region und die Mentalität der Menschen. Stereotype sind z.B. dass sie sehr schüchtern/ introvertiert sind und eine Zeit lang brauchen, um jemanden näher kennenzulernen. In Turku machte ich die Erfahrung, wo ich in einem Team herzlich begrüßt und aufgenommen wurde in die Gruppendynamik und in einer anderen Gruppe …wurden die Stereotypen voll bestätigt. Das war am Anfang sehr befremdlich und ich wusste nicht ganz, wie ich mich am besten jetzt verhalten sollte. Mit dieser Gruppe finnischer Studierenden sollte ich eine Präsentation über eine Werbe-Kampagne erstellen. Wir haben uns präsent am Campus getroffen. Die Begrüßung hielten wir kurz und unpersönlich und fingen sofort mit der Arbeitseinteilung an. Stunden vergingen, ohne dass wir miteinander geredet haben. Ab und zu wurde auf Finnisch sich untereinander ausgetauscht. Cringe. Sie haben mich zwar eingeladen, mit Ihnen in der Mensa essen zu gehen, doch ich lief ihnen eher wie ein Dackel hinterher als die komische Auslandsstudentin. Auch während des Essens, kaum ein englisches Wort und ich konnte leider nur “Hallo” und “Danke” auf Finnisch sagen. Ich fand heraus, dass sie sich nicht wohlfühlen, Englisch zu reden. Sie wären nicht so gut darin und müssten erstmal wieder hereinkommen. Der zweite Tag stand an, ich holte mir noch schnell einen Kaffee und betete, dass dieser Tag besser werden würde. Und überraschenderweise wurde er es auch! Ich konnte immer mehr zeigen, was ich bereits darauf habe und sie fragten mich öfter persönlichere Fragen und nicht nur bezogen auf die Arbeit. Sie gaben sich plötzlich Mühe, mit mir richtige Gespräche aufzubauen. Die Mensapause hatte sogar Spaß gemacht! Letztendlich wurden dennoch keine besten Freunde, aber unsere Präsentation war sehr gut geworden. Wir hielten sie allerdings bilingual – Finnisch und Englisch – was jeder im Modul etwas belächelte. Das restliche Semester über hatte man sich höchstens nur im Flur mal gegrüßt. Einige werden dann erst bei dem ein oder anderen alkoholischen Getränk wirklich extrovertierter und trauen sich eine Konversation zu führen. Also merkt euch: Ladet euren skandinavischen KommilitonIn vor dem Zusammenarbeiten doch erstmal  auf einen Espresso Martini ein 😉

Cottage statt Museum

Als Dresdnerin, Deutsche, Europäerin bin ich es bereits gewohnt bei Reisen auch den kulturellen Anteil abzuhaken auf der To-Do-Liste: Museum, Kirche, Marktplatz und ein paar andere bekannte und wunderschöne Sehenswürdigkeiten. Es war ein richtiger Kultur-Schock für mich, als ich in Finnland Road Trips durch den Süden und Südosten des Landes mit einer Gruppe anderer Erasmus Studierenden unternahm. Da hielten sich die kulturellen To-Do´s in Maßen. Sehenswürdigkeiten gab es an sich nicht, außer man war in Helsinki oder Rovaniemi. Die begrenzten Museen gaben weniger her als man es gewohnt war und meist ging man niedergeschlagen aus den Ausstellungen. Marktplätze gibt es erst gar nicht. Kirchen ja, die meisten russisch-orthodox. Da müssen erstmal historische Lücken gefüllt werden, anstelle von kulturellen. Also, wer besonders den kulturellen Aspekt an seinen Urlauben genießt: Geht nicht nach Finnland. Ehrlich. ABER es lohnt sich somit umso mehr für die wilde Natur und die heiß geliebte Saunakultur. Es gab kein schöneres Gefühl, auf einer Autofahrt zu einem Cottage am See zu fahren, während die Sonne durch die Wildnis schien und wir sogar vier Elche am Straßenrand entdeckten. Und ein noch schöneres Gefühl ist es zwischen den Saunagängen, mit nackten Füßen den Holzsteg hinunterzulaufen und kurz in das eiskalte Wasser zu tauchen, um dann Milliarden Sterne zu beobachten. Während meiner Zeit in Finnland verliebte ich mich neu in Wanderungen und Tagesausflüge in die Natur. Ob bei -21 Grad und kniehohem Schnee oder 10 Grad und Sonnenschein, die finnische Natur nimmt einem regelrecht den Atem und lehrt einem vieles über Achtsamkeit. Und meiner Meinung nach gibt es kein besseres Self Care Ritual als eine Stunde lang in der Sauna zu sitzen und all den Stress wortwörtlich rauszuschwitzen. Wahrscheinlich zählt deswegen auch Finnland zu einem der glücklichsten Länder der Welt.

Image
Image

Digital, günstig und lecker – was will StudentIn mehr?

Dies wird vielleicht ein kurzer Abschnitt, aber ist dennoch eine sehr positive Erfahrung für mich. Denn man kennt es doch selber: Kochen und Lebensmittel einkaufen bockt eher so semi. Umso mehr liebe ich es jeden Tag günstig – und ich meine damit “2,50 € jeden Tag, egal für welche Art von Mahlzeit” günstig. Es war ein ganzes Erlebnis. Erstmal ging es zu den Automaten, dort scannte ich meinen Studierendenausweis und wählte zwischen “Vegetarisch”, “Suppe des Tages” oder “Mit Fleisch”. Dann konnte ich noch ein Dessert inklusive Kaffee hinzufügen. Dies bezahlte ich mit meiner Kreditkarte und bekam einen Bon ausgedruckt. Dann ist es wie ein Buffet, man nimmt sich ein Tablett und geht zu seinem ausgewählten Essen. Ich schnappe mir Teller, Besteck und ein Glas Wasser. Dazu noch kostenloses Brot mit Butter. Ich muss aufpassen, nicht zu viel zu nehmen. Ich bekam natürlich auch schon Ärger, weil ich mir zu viel Lasagne für eine Person genommen habe. Das heißt im schlimmsten Fall doppelt bezahlen, aber mein Status als Erasmus Studentin war wie ein Welpenstempel mit der Genehmigung fürs Fehler machen. International Studierende erkannte man in der Cafeteria, daran, dass sie ein Glas Wasser anstatt ein Glas Milch zum Essen hatten. Ich weiß leider bis heute nicht, warum Finnen zum Mittagessen ein Glas Milch bevorzugen, aber so war es nun mal. Wobei Skandinavien auch ironischerweise bekannt für Oatly ist, eine Haferdrink-Alternative zur Milch. Aber vielleicht war dies nur ein weiteres Stereotyp meinerseits. Nach dem Essen sortiere ich das Gschirr bei einer Abgabe aus und kann mir direkt daneben die Hände waschen und desinfizieren.

24 Stunden freiwillig auf dem Campus sein

Also “Lernen” war ja immer so eine Sache. Das hat man Halt machen müssen. In den ersten Semestern war ich allerdings eher in meinem Zimmer als in der Bib oder einem Café. In Finnland lernte ich, dass “Lernen” ein echtes soziales Event am wunderschönen Turku AMK Campus werden kann. Dies waren erstaunlicherweise einer meiner liebsten Tage…neben den Ausflügen und Bar-Abenden versteht sich. Wir Erasmus Leute verabredeten uns mehrmals die Woche, um am Campus zu sein. Die Turku AMK hat Arbeits-Aufenthalts- und Erholungsräume und sowas habe ich bisher noch nie erlebt. Größenverstellbare Schreibtische, Sitzsäcke, Gummibälle – also quasi alles, was Studierende für ein ergonomisches Lernen brauchen. Zudem überall Whiteboards und Terrassen für Pausen. Es gab Räume für Gruppenarbeiten oder kleine Nischen, wo ich ungestört mal eine Belegarbeit schreiben konnte, ohne gestört zu werden. Durch die Pandemie war es umso schöner, wieder unter Menschen zu sein und täglich an den Campus gehen zu dürfen, um gemeinsam zu lernen und sich auszutauschen. Diese Routine gab einem viel Kraft für die Herausforderungen, die einem das Studieren im Ausland manchmal so geben kann. Noch dazu kam, dass der Campus 24 Stunden offen ist. Das war für meine Mitbewohnerin perfekt, denn sie liebte es bis 3 Uhr morgens Sachen für die Uni zu machen. Wir verbrachten sehr viel Zeit auf dem Campus, wo ich zugeben muss, dass dies immer noch einer der Orte ist, den ich mitunter am meisten vermisse. Ich habe versucht mir diese Gewohnheit in Deutschland beizubehalten und die Bib oder ein Café dem Lernen zu Hause stets vorzuziehen.
Image
Als Studentin im Ausland zu leben und zu studieren ist eine Erfahrung, an die ich mich für mein Leben lang erinnern werde. In den 5 Monaten weg von der Heimat und der Komfortzone hatte ich die Möglichkeit mich in vielen verschiedenen Bereichen weiterzuentwickeln. Lernen machte auf einmal Spaß, ich hatte ein großes Kaffee-Konsum-Problem, Sauna war ein wöchentliches Muss, genauso wie Wandern zum Spaß und Pfefferminzlikör zu jeder Party. Ich kann mit fester Überzeugung sagen: Es war bisher eine der besten Zeiten in meinem Leben. Also viel Spaß beim Lesen und Moi Moi!
ImageImage
ImageImage
ImageImageImage

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert