2022, Culture Clash, Länder & Sitten

So nah und doch so fern

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So nah und doch so fern

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von Ben Le Ebert
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31. Januar 2022
Hallo, ich heiße Ben, bin dreiundzwanzig Jahre alt, Student an der Hochschule Mittweida und Deutsch-Vietnamese der dritten Generation, hier lebend in Deutschland. Des Weiteren bin ich auch Mischling in der zweiten Generation, welches so viel bedeutet wie, dass ich sowohl deutsche als auch vietnamesische Wurzeln habe. Mütterlicherseits kam mein Großvater in den sechziger Jahren als Student in die DDR und mein Vater als qualifizierter Facharbeiter in den Achtzigern.
Als Kind wuchs ich somit immer zwischen zwei Kulturen auf. Auf der einen Seite war die eher dominante deutsche Kultur meiner Mutter, obwohl Sie auch in einer bi-kulturellen deutsch-vietnamesischen Familie aufgewachsen ist. Auf der anderen Seite stand die vietnamesische Kultur meines Vaters. In der Erziehung wurde stark darauf acht genommen, dass ich der deutschen Kultur so nah wie möglich bin, ohne meine vietnamesischen Wurzeln zu vergessen. So feierten wir als Familie gemeinsam Ostern und Weihnachten aber auch das Tết -Fest (auch bekannt als Tết Nguyên Đán, der wichtigste vietnamesische Feiertag, das Fest des neuen Jahres nach dem Mondkalender) sowie das Mondfest.
Persönlich kann ich sagen, dass ich natürlich einige Sitten, Bräuche und Werte von meiner vietnamesischen Abstammung übernommen habe, jedoch mehr durch mein deutsches Umfeld geprägt wurde als andersherum. Abgesehen von ein paar vietnamesischen Feierlichkeiten, wo ich in Kontakt mit anderen Vietnamesen getreten bin, hat mich vor allem der Umgang mit meinen deutschen Freunden in der Schule und in der Freizeit geprägt. Auch hat der vermehrte Umgang mit dem überwiegend deutschen Freundeskreis meiner Eltern dazu beigetragen, dass ich mich der deutschen Kultur näher fühle als der der Vietnamesischen.
In meinen dreiundzwanzig Jahren habe ich bisher fünfmal das Land meiner Eltern und Großeltern besucht und musste verblüffend feststellen, dass Vietnam im Vergleich zu dem, was ich mir vorgestellt habe, Sachen, die ich durch meine Eltern kennenlernte oder generell zu Deutschland sich ziemlich unterschied.

Good Morning Vietnam -
chào buổi sáng Việt Nam

Fortbewegung

Was mir in Vietnam direkt ins Auge gestochen hat war, dass die Straßen gefüllt mit Mopeds sind. Diese sind zwar grundlegend nichts neues oder Besonderes. Auch in Deutschland fährt ab und an mal eins von den motorisierten Zweirädern auf den Straßen, aber was hier überwältigend ist, ist die schiere Menge dieser Motoräder. In Vietnam ist generell das Fortbewegungsmittel #1 in der Innenstadt. Was auch erstaunend war, ist vor allem die Nutzung des Zweirades in der Personen- oder Transportbeförderung. In Deutschland steigt man entweder in den Nahverkehr, seinem eigenen Auto oder in ein Taxi ein, um von A nach B zu bekommen. In Vietnam gibt es zwar Nahverkehr, der ist jedoch nicht so gut ausgebaut wie bei uns. Deshalb nutzen viele Vietnamesen ihr eigenes Moped oder ein Moped-Taxi, wobei es oftmals vorkommt, dass 3 oder mehrere Personen auf einem sitzen. In Deutschland wäre so ein Anblick auf jeden Fall aberwitzig und Polizei würde uns sofort aus dem Verkehr ziehen. Ein weiterer irrsinniger Anblick ist die Nutzung des Mopeds für Transporte von Waren. Von Viehzucht oder Obst über Baumaterialien bis hin zum Transport von Kühlschränken oder Kommoden, das motorisierte Zweirad findet seine Einsatzmöglichkeiten. Hier in Deutschland würden sich die Leute sicherlich an den Kopf greifen.
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    Man soll dem Leib etwas
    Gutes bieten, damit die
    Seele Lust hat, darin zu
    wohnen.
    Winston Churchill

    Essen

    Ein großer Unterschied zwischen der deutschen und vietnamesischen Esskultur liegt hier im Frühstück. Der Großteil von uns startet wohl in den Arbeitsalltag Zuhause mit einer Tasse Kaffee, einem belegten Brötchen oder einem Müsli. Also grundlegend keine warme Mahlzeit, wenn man das Sonntagsfrühstück mit gekochten Eiern oder einem schönen Rührei außeracht lässt. In Vietnam ist üblich, seinen Tag mit einer warmen Mahlzeit wie einer Portion Phở (=Nudelsuppe) , sei es mit“ Phở Bò „(Bò = Rind), „Phở Gà“ (Gà = Huhn) oder auch „Bánh cuốn“ (eine vietnamesische gedämpfte Reisrolle, gefüllt mit Hackfleisch und Morcheln) zu starten. Diese Speisen essen viele Vietnamesen meist an einen der unzähligen Streetfood-Küchen am Straßenrand, wo die Eigentümer kleine Hocker und Stühle bereitstellen, oder gehen in Suppenküche. Diese Restaurants, spezialisiert auf vietnamesische Suppen jeglicher Art und nicht zu verwechseln mit dem allbekannten deutschen Begriff, die als Essensausgabe für Bedürftige, gratis oder gegen geringes Entgelt bekannt ist. Diese Erfahrung war auf jeden Fall etwas neues, was ich so in Deutschland noch nicht kannte.
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      Liebe zu allen Wesen ist wahre Religion

      Siddhartha Gautama

      Ahnenverehrung

      In Deutschland ist es meist üblich, dass man die Gräber seiner Vorfahren am Totensonntag oder zum Todestag besucht. Dabei reinigt man die Gräber und schmückt sie mit neuen Blumen aus. In Vietnam hingegen ist die Ahnenverehrung allgegenwärtig. Für die Verstorbenen wird ein Altar im Haus oder in der Wohnung aufgestellt, über deren dessen Bilder hängen. Meist werden dem Altar zum Gedenken der Verstorbenen zu bestimmten Anlässen Räucherstäbchen abgebrannt sowie Obstteller, Speisen oder Alkohol beigestellt und auch materielle Sachen wie Geld, Autos oder Smartphones, natürlich aus Papier, verbrannt. Die Verstorbenen leben hierbei nach Aberglauben in einer Parallelwelt, und erhalten durch das Beistellen und Verbrennen von Sachen diese im Jenseits. Was mir jedoch neu war, und ich durch meine unzähligen Besuche in Vietnam erfahren habe, ist, dass im Gegensatz zum Geburtstag bei Vietnamesen der Todestag der Ahnen eine außerordentliche Bedeutung und Stellung hat. So wird dabei dort der Todestag so gefeiert, als würden wir in Deutschland unseren Geburtstag feiern.
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