Fremd im eigenen Land
31. Januar 2022 | Von Samuel Schaarschmidt
Vorgeschichte
Ich heiße Samuel Schaarschmidt und bin 1999 in Dresden – Sachsen geboren. Meine Kindheit und Jugend habe ich in der ländlichen Gegend rum um die Stadt Meißen verbracht. Derzeit studiere ich an der Hochschule Mittweida Global Communication im Business and Culture. Dabei werden mir verschiedene Einblicke in kulturelle und kommunikative Bereiche weltoffen vermittelt um daraus interkulturelle Kompetenzen zu entwickeln. Dieser Studiengang gibt mir die Möglichkeit meine Weltoffenheit zu bereichern.
Erste negative Erfahrungen
Ist es überhaupt möglich sich im eigenen Land fremd zu fühlen? – Fremdheitserfahrungen kann man überall erleben, sogar im eigenen Land. Dies habe ich im Laufe meines Lebens erfahren. Das Gefühl des Fremdseins trat bei mir zum ersten Mal im Jahr 2014 auf. Die aufkommende Flüchtlingswelle, verursacht durch akute Gewalt gegen Zivilisten durch Kriegsparteien oder paramilitärische Gruppen, darunter schwere Verletzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, wurde von vielen als Anlass für die Verbreitung rechten Gedankenguts missbraucht. Besonders hier in Sachsen war der Rechtsruck, durch das Aufkommen der rechtsextremen Organisation PEGIDA, deutlich zu spüren. Aus diesem Grund war es für mich selbstverständlich zu dieser Zeit, als Menschen aus anderen Ländern in Deutschland Zuflucht suchten, mich auf der Seite der Befürworter und Unterstützer zu positionieren.
Eine Positionierung gegen rechtes Gedankengut war für mich in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Rechte Gesinnungen gab es schon immer in der Gesellschaft, sie traten aber zu dieser Zeit wieder derartig in den Vordergrund, dass man gar nicht daran vorbei kam. Zu diesem Zeitpunkt stellte sich mir bereits die Frage, wie es sein kann, dass Menschen andere Menschen verurteilen bzw. hassen, ohne jemals mit ihnen in Kontakt gekommen zu sein. Woher kommt dieser Fremdenhass? Auf diese Frage konnte mir bis dato keiner eine richtige Antwort geben. Auch auf Nachfrage bei Personen aus meinem Umfeld mit rechtem Gedankengut erhielt ich keine zufriedenstellende Erklärung. Immer wieder hörte ich ausländerfeindliche Aussagen von solchen Personen, die meiner Meinung nach nie über die Lippen eines Menschen kommen, geschweige denn überhaupt gedacht werden sollten. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich sehr geschämt in Sachsen zu wohnen, weil ich mich nicht im Geringsten mit solchen Aussagen identifizieren konnte. Dabei kam in mir ein Fremdheitsgefühl auf. Oftmals wurden Menschen aus der Nähe von Dresden als Personen mit rechten Gesinnungen abgestempelt, nur aufgrund ihrer Herkunft. Seitdem habe ich immer ein komisches Gefühl, wenn ich an den Begriff Heimat denke – ich fühlte mich fremd im eigenen Land.
Weitere Infos zu Pegida und deren Verlauf findet ihr hier:
Die nächsten negativen Gefühle
Das Gefühl von Fremdheit tritt bei mir gerade in den letzten paar Jahren wieder stärker hervor – immer, wenn ich an Querdenkerdemonstrationen und „Spaziergänger“ gegen die Coronamaßnahmen denke. In den kleinsten Städten Deutschlands treffen sich Menschen, um, wie sie es sagen, für ihre Menschenrechten einzutreten. Genau um diese Menschenrechte handelt es sich, die viele von ihnen vor ein paar Jahren gegenüber Ausländern und Flüchtlingen mit Füßen getreten haben. Und wieder ist die Grundlage, auf die sie sich berufen fadenscheinig. Die Äußerungen reichen von stupiden Aussagen bis hin zu Verschwörungstheorien. Wie auch schon 2014 gibt es eine Spaltung des Landes, die Familien, Beziehungen und Freundschaften betreffen. Mit jeder neuen Überschreitung dieser Bewegungen empfinde ich Fremdscham und entfremde mich immer weiter von dem Land, in dem nicht nur ich, sondern auch meine Eltern aufgewachsen sind. Es ist auch das Land, welches meine Großeltern 1944 als Zufluchtsort gewählt haben.
Jedes Mal, wenn die Überlegung in mir aufkommt mich von meinem Heimatland abzuwenden bleibt der Gedanke, dass nicht alle solchen Bewegungen angehören und ich nicht alleine bin. Wenn wir uns jetzt abwenden, dann lassen wir zu, dass solche Menschen und ihr Gedankengut die Überhand gewinnen und man sich fremd im eigenen Land fühlt.