Die Reise beginnt
4 Uhr morgens. Draußen herrschte die Dunkelheit. Wir verließen das Haus. Unsere Reise begann. Nach 5 Stunden Fahrt und einer Nacht in einer Pension auf dem Festland fuhren wir zur Fähre. Wir freuten uns auf 7 Tage Inselurlaub. Das erste Mal auf einer Insel in Ostfriesland.
Gegen Mittag stellten wir unser Auto auf einer Wiese direkt an der Nordsee ab. Später sollte das Auto dort abgeholt und an einen sicheren Ort gebracht werden. Für uns war es schon etwas komisch. Das Auto abgestellt auf einer matschigen Wiese, als Sicherheit unterschrieben wir einen kleinen Zettel, auf dem lediglich das Kennzeichen vermerkt wurde. Und dann gaben wir den Autoschlüssel ab. Das erste Mal hatten wir ein komisches Gefühl. Den Autoschlüssel in fremde Hände abgeben und das Auto von fremden Personen fahren lassen. Naja „wird schon passen“ dachten wir uns. Viele andere Familien taten das Gleiche.
Dann hieß es warten. Nach circa einer Stunde legte die Fähre an. Viele Menschenmassen verließen die Fähre und Menschenmassen wollten auf die Fähre. Zu heutiger Zeit undenkbar. Gleichzeitig konnten wir beobachten, dass viele Container von der Fähre abgeladen wurden. Wir dachten es sind Container, die mit Ware für die Inseln beladen werden sollten. Der Gedanke war sicher nicht schlecht. Falsch gedacht! Plötzlich strömten die Menschen, die die Fähre verlassen hatten zu den Containern hin, um sich ihr Gepäck zu holen. Und dann wurde uns klar, dass auch unsere Koffer in diese Container verfrachtet werden sollen. Also: Beeilung! Alle begannen hektisch – wie das eben so ist, jeder will der Erste sein – ihre Koffer in die Container zu verladen. Als auch wir endlich einen geeigneten Platz für unsere Koffer gefunden hatten, konnten wir uns auch einen Platz auf der Fähre suchen. Natürlich draußen. Oben auf dem Deck. Typisch Touri – wir wollten ja was sehen! Natürlich waren wir – typisch deutsch? – vorbereitet und hatten dicke Sachen an. Schließlich ist der Wind der Nordsee keine warme spanische Brise.
Endlich angekommen
Nach einer 45minütigen Fahrt, schönen ersten Eindrücken der Nordsee und fröhlichen Gesprächen mit unseren Sitznachbarn war endlich Land in Sicht – sorry Insel. Nun hatte es auch der wuschelige Pudel geschafft, dessen Fell vom Wind ordentlich zerzaust war. Am Fähranleger standen sehr viele winkende Menschen. Wir dachten: „Na Mensch, freuen die sich so sehr über Touristen, dass sie sie jedes Mal winkend und freudestrahlend empfingen?“ Bei genauerem Hinsehen erblickten wir Handwagen und Pferdekutschen. Die Fähre legte an und wir verließen sie.
Zum Glück haben wir uns die Containernummer gemerkt, in dessen Container wir unsere Koffer steckten. Unser Gepäck geschnappt, wollten wir losziehen. Natürlich hatten wir uns vorher die Route vom Fähranleger zum Hotel rausgesucht. Unnötig! Uns viel auf, dass die vielen winkenden Menschen Hoteliers oder Pensionsbetreiber waren, die ihre Gäste abholten. Und das ganz ohne Auto oder Kleinbus. Na klar, Baltrum ist eine Autofreie Insel. Deshalb Handwagen. Unseren Hotelier gefunden, verluden wir unser Gepäck auf einem der Handwagen. Nun ging es los. Eine Karawane bestehend aus vielen Menschen, Hunden, Handwagen und Pferdekutschen zog los.
Baltrum ist eingeteilt in ein Westdorf und in ein Ostdorf. Die Touristen des Westdorfes gingen zu Fuß und die des Ostdorfes wurden mit Pferdekutschen chauffiert. Dies hat nichts damit zu tun, dass sie zu faul zum Laufen sind oder ein luxuriöses Urlaubs-rund-um-Paket gebucht haben. Das Ostdorf liegt genau am anderen Ende der Insel. Wir wohnten im Westdorf und hatten daher nur einen kurzen Fußmarsch. Dieser Urlaubsbeginn war für uns wirklich neu und etwas ungewöhnlich. Wir fühlten uns tatsächlich etwas fremd. Dies waren jedoch positive Fremdheitsgefühle. Der Empfang war herzlich und wir lernten direkt einige Facetten der Insel kennen.
Lass dir Zeit
Was uns ebenfalls nach wenigen Tagen auf der Insel auffiel: Stress? Fehlanzeige! Für uns war das ein richtiger Cut. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Auf dem Festland – bei uns zu Hause – ist es immer hektisch: Egal ob beim Einkaufen oder bei der Arbeit, irgendwie läuft immer eine gewisse Hektik und Stress im Alltag mit. Eine weitere neue Erfahrung. Wir gaben uns Mühe uns zu erden. Der Stil gefiel uns gut – kein Gedrängel im Inselmarkt oder im Restaurant. Die Menschen aufgeschlossen und freundlich – nicht gestresst!
Vielleicht liegt es auch daran, dass es auf Baltrum, bis auf lebensnotwendige Fahrzeuge, wie z.B. einen Krankenwagen, keine Autos auf der Insel gibt. Das strahlt sehr viel Ruhe aus. Keine lauten Motorengeräusche. Nachts ist es absolut still draußen.
Duftende Farben
Neben dem traumhaften Strand mit weitem Blick über die Nordsee, wirkte auch der Rosengarten auf Baltrum sehr entspannend auf uns. Quasi ein Mini-Park mit Grünflächen, Figuren und duftenden Rosen in vielen verschiedenen Farben. Und das mitten auf einer kleinen Insel, zwischen den Dünen. Wir waren positiv überrascht. Und auch dies war eine Fremdheitserfahrung für uns. Ich meine, rechnen Sie damit auf einer kleinen Insel, mitten in der Nordsee einen Rosengarten zu sehen? Wohl eher nicht.
Entdeckungstour
Ist Baltrum doch so klein, bietet die Insel zahlreiche Möglichkeiten unterschiedlichste Dinge zu entdecken. Seien es die leckeren Waffeln, die Torten und das Eis, die schmackhaften Fischgerichte, der traumhafte Spaziergang am Strand, ein Besuch im verwunschenen Rosengarten oder aber der Besuch auf der Cobigolf-Anlage, umgeben von Kaninchen. Kaninchen? Ja, Kaninchen. Kaum vorstellbar, dass eine Insel, weit weg vom Festland freilaufende Tiere hat, die mit Wasser nichts am Hut haben. Und doch ist es so. Da schaut man nicht schlecht! Sie leben frei auf der ganzen Insel. Mal hier, mal da sah man am Wegesrand gebuddelte Löcher. Erzählungen zufolge sollen vor vielen Jahren Kaninchen aus den Stallungen geflüchtet sein und sich so auf der Insel vermehrt und verbreitet haben.
Vertrau uns
Eine weitere Art der Fremdheit erlebten wir direkt in unserem Hotel. Aus Sicherheitsgründen, wurde uns empfohlen den Zimmerschlüssel nicht mitzunehmen, sondern im Hotel zu lassen. Der Schlüssel wurde dann nicht – wie wir dachten – sicher weggeschlossen, sondern hing frei in einem Schlüsselkasten im Hotelfoyer. Für jeden zugänglich. Eine weitere Eigenschaft der Insel, an die wir uns gewöhnen mussten – Vertrauen. Es war völlig normal den Schlüssel dort frei hängen zu lassen. Keiner kam auf die Idee sich einen anderen Schlüssel zu nehmen.
Rückreise übers Wattenmeer
Rückreise. Ein Wort, welches die Ohren am Ende eines Urlaubs nicht gerne hören. Nach 7 Tagen war es dann aber soweit. Koffer packen, das letzte Mal die Füße in den Sand stecken und los. Bis die Fähre anlegte und wir wieder zurück auf das Festland in unserem Alltag fuhren, war noch etwas Zeit. Also entschieden wir uns ein letztes Fischbrötchen auf der Insel zu essen. So begegneten wir unserer letzten Fremdheitserfahrung. Ein Krabbenbrötchen im Kebap-Papier.
Bildnachweis: Celine Katrin Hartung, http://www.inselmeer.de/Reisen/Baltrum/baltrum.html, https://www.ndr.de/ratgeber/reise/inseln/Baltrum-Die-kleinste-der-Ostfriesischen-Inseln,baltrum157.html