2022, 2023, Begegnungen, Erlebnis, Länder & Sitten

10.000 km – auf der Suche nach Heimat

Alexander F.2022, 2023, Begegnungen, Erlebnis, Länder & Sitten Leave a Comment

10.000 km – auf der Suche nach Heimat

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26. Januar 2022
Fremdheit ist eine subjektive Erfahrung, jeder nimmt sie anders wahr. Man kann ihr so gut wie in allen Lebensbereichen begegnen, sei es bereits im jungen Alter im Kindergarten, später in der Schule oder im Berufsleben. Jeder von uns macht damit irgendwann Erfahrungen. Fremdheitserfahrungen bringen natürlich viele Herausforderungen mit sich, erweitern jedoch auch unseren Horizont und helfen uns, unsere interkulturelle Kompetenz zu erweitern. Sie helfen uns außerdem aus unserer Komfortzone auszubrechen und etwas aus einer neuen Perspektive zu betrachten.
Auch ich durfte bereits im jungen Alter Fremdheitserfahrungen machen.
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Jeder Fremde, der sich fremd fühlt, [ist] ein Fremder […], und zwar so lange, bis er sich nicht mehr fremd fühlt.
Karl Valentin
,,18.11.2005 - der Tag meiner Ankunft in Deutschland & meine erste bewusste Fremdheits­erfahrung''
Ursprünglich komme ich aus einer relativ kleinen Stadt im Osten Russlands, nicht weit von der Grenze zu China. Sie trägt den Namen Birobidschan. Dort bin ich aufgewachsen, absolvierte die erste Klasse, bevor es dann auch schon nach Deutschland ging. In die ebenfalls nicht allzu große Stadt Chemnitz. Eine Strecke von 10.000 km trennt die beiden Städte. Eine Flugdauer von insgesamt 11 Stunden. Eine gewaltige Entfernung.
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,,Der erste Döner''
Chemnitz, der 21.11.2005
Ich bin nun seit ein paar Tagen zusammen mit meiner Familie in Deutschland angekommen und bin gespannt was mich erwartet. Freue mich auf eine neue Kultur, neue Menschen und ganz besonders auf einen neuen Alltag.
Meine Eltern und ich, inmitten des Stadtzentrums und schon bald erfüllt uns ein qualvolles Gefühl: Hunger. Gezielt halten wir Ausschau nach einer geeigneten Essensmöglichkeit. Wir stoßen dabei auf einen kleinen, gemütlichen Imbiss, auf dessen verblasstem Eingangsschild der Name ,,Döner Kebab‘‘ sichtbar wird. Wir trauen uns zunächst nicht rein, da sich keiner etwas unter dem Namen vorstellen kann. Nach kurzem Zögern, gehen wir nun rein. Uns begrüßt ein angenehmer Geruch nach gegrilltem Fleisch. Der Blick wandert auf die an der Wand angebrachte Speisekarte. Auch wenn sich keiner von uns etwas darunter vorstellen kann, bestellen wir gleich die Nummer 1. Döner mit Fleisch, Salat und Soße heißt es dort. Zunächst nur einen für alle, falls es nicht schmeckt, denken wir uns. Der sogenannte Döner wird auf einem großen, flachen Teller zu Tisch gebracht. Erinnert an ,,Schawarma‘‘, stellt meine Schwester fest. Doch wie isst man dieses Gericht am besten? Wir schauen uns im Imbiss herum und stellen fest, dass es entweder mit Gabel oder einfach mit der Hand gegessen werden kann. Jeder schnappt sich also eine Gabel und fängt an zu essen. Eigentlich ein gutaussehendes Gericht. Fleisch, Salat, Brot und Soße – was will man mehr? Doch besonders geschmeckt, hat es zunächst keinem von uns.
Aus heutiger Sicht betrachtet, eine ziemlich amüsante Geschichte, doch es war meine erste bewusste Fremdheitserfahrung, die ich nach der Ankunft in Deutschland machen musste. Damals war es ein neues Gericht für mich, was ich aus meiner Heimat so nicht kannte. Heute weiß ich, dass der Döner kaum mehr aus der deutschen Fast-Food Kultur wegzudenken ist. Ziemlich absurd, wenn man bedenkt, dass dieses Fast-Food eigentlich türkischer Abstammung ist und nicht viel mit der traditionellen deutschen Küche zu tun hat.
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,,Ein Interview mit Alexander/Александр''
16 Jahre später – Das ehemals unbekannte Land, welches für mich zunächst eine Fremdheitserfahrung darstellte, ist heute meine zweite Heimat.
Ich bin verabredet zu einem Interview/Podcast, bei dem ich von meinen damaligen Fremdheitserfahrungen erzählen möchte.
,,Letztendlich trage ich heute die Werte beider Kulturen in mir und die doppelte Zugehörigkeit ist eine große Bereicherung in meinen Augen.‘‘
Bilder: (c) Alexander F.

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